Page 28 - Salzgitter AG Verantwortung und Perspektiven
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DIE WELTWEIT LEISTUNGSSTÄRKSTE VERSUCHSANLAGE STEHT IN SALZGITTER
kehrbarer Hochtemperatur­Elektrolyse). Mit der Sunfire GmbH und weiteren Part­ nern aus fünf EU­Ländern arbeitet die Salzgitter AG seit März 2016 an diesem EU­Forschungsprojekt. Dessen Ziel ist es, eines Tages sehr effizient klimaneutralen Wasserstoff zu produzieren – und zwar mithilfe der Elektrolyse: Durch Elektrizi­ tät soll aus Wasserdampf (H2O) Wasser­ stoff gewonnen werden, der Strom hierfür müsste aber aus Wind­ oder Sonnenkraft­ werken stammen. Der Wasserdampf wie­ derum wird durch Abwärme aus der Stahl­ produktion erzeugt. Eine entsprechende Versuchsanlage ging bereits im Oktober 2017 in Salzgitter in Betrieb. Sie ist der derzeit leistungsstärkste reversible Hoch­ temperaturelektrolyseur der Welt.
Reversibel bedeutet: Die Anlage kann den Prozess auch umdrehen, also nicht nur mittels Elektrolyse aus Wasserdampf grünen Wasserstoff gewinnen, sondern aus Wasserstoff bzw. Erdgas auch Strom und Wärme erzeugen. Im Umkehrbetrieb funktioniert die Anlage also wie eine Brennstoffzelle – oder noch simpler gesagt: wie eine Batterie. Das System kann in einer zunehmend auf erneuerbaren Energien basierenden „Stromwelt“ als Puffer wirken und somit zur Netzstabilität beitragen.
Unter Verwendung des mit erneuer­ baren Energien produzierten Wasserstoffs könnte laut Modellrechnungen SALCOS® CO2­Emissionen bis 2050 sogar stärker reduzieren, als es die EU­Klimaziele vor­ sehen. Erweiterte man das Hüttenwerk schrittweise um Direktreduktionsanlagen, Elektrolyseure und Elektrolichtbogenöfen, die mit Strom aus erneuerbaren Energien zu betreiben wären, ließe sich bei gleich­ zeitiger, schrittweiser Reduzierung der über die Hochofen­ und Konverterroute erzeugten Stahlmengen der CO2­Ausstoß je nach Ausbaustufe um 10 bis 50 % senken. Könnte die ganze Stahlproduktion um­ gestellt werden, wäre sogar eine Reduktion bis zu 95% möglich, je nach Umfang des Wasserstoffeinsatzes.
So verführerisch dies alles klingen mag, um die Stahlindustrie nachhaltig zu dekar­ bonisieren, müssten die Wirtschaftlichkeit und die Umstellung des Hüttenbetriebs ohne Einschränkungen der Produkt­ qualität und der Anlagenverfügbarkeiten gemeistert werden. Die Herausforderungen
  GrInHy-Versuchsanlage in Salzgitter. Der dabei erzeugte Wasserstoff wird bereits als Schutzgas bei Glühprozessen der Stahlproduktion genutzt
Reduktion mit dem Sauerstoff aus dem Eisenerz, dabei entsteht Wasser (H2O). Folglich verringern Direktreduktions­ anlagen mit Erdgaseinsatz die CO2­Emis­ sionen erheblich. Das Eisenerz wird direkt im festen Zustand als Pellets oder Stückerz ohne Aufschmelzen in einer Direktreduk­ tionsanlage zu metallischem Eisen um­ gewandelt – daher stammt auch der Name des Prozesses.
Das daraus resultierende Produkt ist sehr porös, weshalb man auch von „Eisenschwamm“ spricht, international abgekürzt als DRI (Direct Reduced Iron). Das DRI muss anschließend in den bereits existierenden Hochöfen zur Weiterver­ arbeitung im Blasstahlwerk oder in neu zu errichtenden Elektrolichtbogenöfen ge­ schmolzen werden. Das Verfahren ist nicht prinzipiell neu und wird außerhalb Europas auch schon großtechnisch angewendet – 2016 wurden so weltweit knapp 60 Mio. t direktreduziertes Eisen erzeugt – etwa 4 % der weltweiten Rohstahlproduktion. Doch rechnet sich diese erdgasbasierte Methode nur in Ländern mit günstig zu erschlie­ ßenden Erdgasvorkommen, wie zum Bei­ spiel in Nahost, den USA oder Russland.
SALCOS® will einen gangbaren Ausweg darüber hinaus eröffnen. Das Projekt soll es ermöglichen, vorhandene Produktions­ anlagen so weit wie möglich weiter zu nutzen und trotzdem die CO2­Emissionen deutlich zu senken. Der Schlüssel hierzu lautet: In der Direktreduktion wird Erdgas teilweise oder vollständig durch Wasserstoff ersetzt, der klimaneutral – also ohne nennenswerte CO2­Emissionen – erzeugt werden soll. Direktreduktionsanlagen, die neben Erd­ gas auch Wasserstoff einsetzen bzw. nur mit Wasserstoff betrieben werden, gibt es allerdings weltweit noch nicht.
Hier kommt ein anderes Forschungs­ projekt ins Spiel, an dem die Salzgitter AG beteiligt ist: GrInHy (sprich: „Green­ High“): „Green Industrial Hydrogen via reversible high­temperature electrolysis“ (Grüner Industrie­Wasserstoff aus um­
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FOTO: CARSTEN BRAND























































































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