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Page 10 - Stil 04 2017
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Putze, scha e, spare, schwäbisch schwät- ze, Daimler fahre, Spätzle esse – und die Kehrwoch’ nedd vergesse.“ Denkt man an Baden-Württemberg, purzeln die Kli-
schees munter aus dem Hirnareal für Vorurteile. O  sind sie abwegig – und das nicht nur, weil die o zielle Kehrwoche längst abgescha  ist.
So zielen die meisten Klischees allein auf die Schwaben im Landesteil Württemberg. Was vielen, insbesondere Nordlichtern, für die kurz hinter Hannover Italien anfängt, selten bewusst ist: Baden-Württemberg ist ein höchst heterogenes Gebilde. Zwischen Rhein, Neckar, Donau und Bo- densee siedeln sehr verschiedene Völkerscha en – mit sprachlich wie historisch klaren Grenzen.
Zum Beispiel verwenden die Menschen in Baden-Württemberg, die bekanntlich
alles außer Hochdeutsch kön-
nen, mehr als zehn verschie-
dene Wörter für Karto eln: In einigen Landestei-
len kommen je nach Mundart „Grumbeera“, „Herdäpfel“, „Aibiira“
oder sogar „Erdnüsse“ auf den Tisch, in an- deren „Aidäpfel“, „Eb- biira“ oder „Bodabira“. Im Nordwesten, auf dem
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Gebiet der alten Kurpfalz um Mannheim, erinnert der Dialekt sehr an den pfälzischen Singsang von der anderen Rheinseite, im Nordosten erklingt dagegen ein fränkisch eingefärbter Zungenschlag. Die Sprachgrenzen ziehen sich nicht nur quer durch das Bundesland, sondern auch durch die Regionen. Die Badener im Norden, die man am schnellsten beleidigt, wenn man sie „Badenser“ nennt, sprechen die rheinischen und fränkischen Dialekte, während die Südbadener alemannisch gefärbt reden – wie ihre Nachbarn im Elsass. Und zwischen Stuttgart und der Landesgrenze zu Bay- ern „schwätzt“ man tatsächlich schwäbisch – das aber in verschiedenen Varianten.
Vielfach spiegeln sich in den sprachlichen Un- terschieden alte politische Grenzen wider, die aus
dem 19. Jahrhundert oder noch früheren Zeiten stammen. Das Bundesland
Baden-Württemberg entstand nach dem Krieg aus drei bis
1933 existenten Territorien: dem „Freistaat Baden“, dem
„Volksstaat Württemberg“ und der preußischen Provinz
„Hohenzollernsche Lan- de“. Reibungslos verlief der
Zusammenschluss nicht, inbesondere die Südbadener
lehnten einen großen Süd-
BADEN-WÜRTTEMBERG:
Gegründet: 25.4.1952 Einwohner: 10,9 Mio. Hauptstadt: Stuttgart (624.000 Einwohner) Arbeitslosenquote: 3,8 % (bundesweit: 6,1 %) Fakten:
– Bundesland mit dem höchsten Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt – Hohe Exportquote: 43 % – 40 % der Erwerbstätigen sind in Industrie und Gewerbe beschäftigt
Maultaschen sind eine schwäbische Spezialität, doch auch in Baden kommen „Maultäschle“ auf den Teller
TITELGESCHICHTE
Von wegen „Ländle“
In Baden-Württemberg wird Schlaues erdacht und Großes vollbracht: Der deutsche Südwesten ist innovativ, produktiv und reich – vor allem an Klischees, Brauchtum und Mundarten









































































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