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Page 5 - Stil 04 2017
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Es ist wohl nicht überzogen, in einigen Fällen der Gegenwart fast von einem in- ternationalen Handelskrieg zu sprechen. Während der EU-Markt vergleichsweise o en ist und sich hier die Stahlimporte
– trotz zahlreicher Handelsklagen – auf einem historischen Höchstniveau bewe- gen, schotten sich andere Regionen mehr und mehr ab. Man halte sich vor Augen: 40 % aller weltweiten Handelsschutz- maßnahmen betre en Stahlerzeugnisse! Deswegen müssen wir als Unternehmen mit den politischen Entscheidungsträgern in Berlin und Brüssel im permanenten Gespräch bleiben und unsere Standpunk- te in Bezug auf die Ausgestaltung einer fairen Außenhandelspolitik nachdrück- lich vertreten. Das können wir nicht ausschließlich Verbänden überlassen, weil die Interessenlagen der deutschen Wirtscha  naturgemäß nicht immer gleichgerichtet sind. Sowohl China als auch die USA sind ja zugleich bedeutende Exporteure wie auch Importeure ver- schiedenster Güter.
sich der schleichende Prozess der De- industrialisierung beschleunigen. Sollten die Stahlindustrie und andere energiein- tensive Branchen in Europa schrump- fen oder gar verschwinden, werden die dringend benötigten Produkte eben zu schlechteren Umwelt- und Sozialstan- dards in anderen Teilen der Welt produ- ziert. Damit wird dem Klima und den Menschen nicht geholfen – das ist doch völlig o enkundig! Eine edle Gesinnung allein scha  weder Arbeitsplätze, noch hil  sie dem Weltklima. Die ö entliche Diskussion um den Klimaschutz ist für mich als Ingenieur teilweise beängstigend irrational. Ich kann nur dringend dafür werben, Fakten und rationale Argumente nicht außen vor zu lassen.
STIL: Einige Stahlunternehmen be- schä igen sich mit der Frage, wie man im Hochofenprozess anfallendes CO2 verwerten oder gar vermeiden kann. Welchen Weg beschreiten wir?
Kriterien gerecht zu werden, und arbeiten mit SALCOS an entsprechenden Lösun- gen. Freilich liegt noch ein langer Weg vor uns.
STIL: Wie beurteilen Sie vor dem Hinter- grund der „Klimadebatte“ die Diskussion um die Elektromobilität?
Prof. Fuhrmann: Ich bin in diesem Zusammenhang sehr verwundert, wie leichtfertig bisweilen über die deutsche Automobilindustrie, die technische Aus- richtung und deren Repräsentanten ge- urteilt wird. Es ist purer Populismus, das kurzfristige Verbot des Verbrennungsmo- tors zu fordern. Denn es ist eine Tatsa- che, dass mit dem heutigen Strommix betriebene Elektroautos klimaschädlicher sind als konventionell angetriebene Pkw. Und bis genügend Strom aus regenerati- ven Quellen zur Verfügung steht, wird es noch lange dauern – falls dies überhaupt jemals zu erreichen ist. Gerne unter den Tisch gekehrt wird zudem das  ema,
woher die Rohsto e für Batterien eigentlich stammen und welches ungeheuren Energieaufwandes es zu ihrer Herstellung bedarf. Inso- fern bin ich eher ein Anhänger der wassersto asierten Brennsto zel- lentechnologie.
Übrigens: Auch Elektroautos werden – wenn sie denn bezahlbar sein sollen – aus Stahl gebaut. Ein
gutes Beispiel ist der aktuelle e-Golf, für dessen Serienproduktion der Salzgitter- Konzern mehrere Komponenten für das Fahrwerk liefert. Generell erwarten wir bei E-Autos sogar einen höheren Stahl- einsatz als im herkömmlichen Pkw.
STIL: Uns hat im Jahr 2017 überraschend auch ein ausgesprochen unangenehmes  ema getro en: Es gab Ermittlungen des Bundeskartellamtes.
Prof. Fuhrmann: In unserem Konzern, bei anderen Stahlherstellern sowie der Wirtscha svereinigung Stahl wurden Bü- ros durchsucht und Unterlagen beschlag- nahmt. Wir sehen uns hier mit einer
Art Generalverdacht konfrontiert, denn es wurden seitens der Behörde keine konkreten unerlaubten bilateralen Verab- redungen beanstandet, sondern es wird schwerpunktmäßig auf den Austausch von – dem Charakter nach allgemeinen
– Informationen auf Verbandsebene ab- gezielt. Dabei muss man wissen, dass der Informationsaustausch der europäischen Stahlindustrie bis 2002 sogar behördlich organisiert war. In der Folgezeit sind die Regularien innerhalb unseres Verban- des selbstverständlich regelmäßig an die
STIL: Die Klima- und Um-
weltpolitik in Deutschland wie
in der EU ist ein Dauerthema.
Haben sich in diesem Zusam-
menhang neue Entwicklungen
ergeben?
Prof. Fuhrmann: Grund-
sätzlich hat sich eine wich-
tige Erkenntnis breiter etablieren
können: Will man in EU und Deutsch- land weiterhin eine starke Industrie
als Basis für volkswirtscha lichen Wohlstand, Beschä igung und soziale Balance haben, dann sind international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen auch in Bezug auf die Umweltpolitik zwingend notwendig. Nur so können heimische Unternehmen wirtscha lich arbeiten, anständig bezahlte Arbeitsplät- ze anbieten, langfristig investieren und somit erfolgreich sein. Auf der anderen Seite ist der Ruf eher radikaler Umwelt- politiker nach einer forcierten globalen Dekarbonisierung bisher nicht abgeklun- gen. Weil das von Ländern wie den USA, China oder Indien nicht begleitet wird, wollen sie Deutschland in einer Vorreiter- rolle sehen.
Wir sagen: Die Transformation hin zu einer weniger kohlensto asierten Ge- sellscha  darf nicht zulasten unzähliger Arbeitsplätze in der heimischen Industrie gehen! Denn eines ist klar erkennbar: Wenn sich unsere jetzt schon bestehen- den Standortnachteile aufgrund des verschär en Emissionsrechtehandels und der EEG-Umlage weiter vergrößern, wird
Prof. Fuhrmann: Wir bevorzugen den Weg der CO2-Vermeidung. Um unseren CO2-Ausstoß über das jetzige Maß hinaus signi kant zu vermindern, wollen wir
im Rahmen des Konzeptes SALCOS – SAlzgitter Low CO2-Steelmaking – neue Wege und innovative Verfahrenstech- niken erproben. Die CO2-Emissionen
der Stahlherstellung könnten massiv gesenkt werden, indem man Kohlensto  durch Wassersto  als Reduktionsmittel ersetzt. Der Wassersto  sollte dabei mit Strom aus regenerativen Quellen erzeugt werden. Dies ist im industriellen Maßstab noch nicht machbar und aktuell auch wirtscha lich nicht darstellbar. Aber wir sehen eine realistische Perspektive.
Deshalb entwickeln für SALCOS For- scher und Fachleute unseres Konzerns, der Fraunhofer-Gesellscha  und weiterer Partner gemeinsam Technologien zur Di- rektreduktion mit Wassersto  sowie de- ren Einbindung sowohl in ein integriertes Hüttenwerk als auch in ein zukün ig
auf erneuerbaren Energien basierendes Energiesystem.
Das Konzept muss außerdem unsere kün ige Wettbewerbsfähigkeit sicherstel- len. Wir haben die Ambition, all’ diesen
Nach einer Phase, in der das Schwer- gewicht unternehmerischen Tuns gezwungenermaßen auf Restruktu- rierung und Kostensenkung lag, richten wir den Fokus nun auf  e- men von Wachstum und Innovation
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