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Page 6 - STIL 04 2018
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en, aber wir wehren uns gegen unfaire und willkürliche Handelspraktiken. Von diesen profitieren am Ende auch unsere Kunden nicht, denn wenn es eine leistungsfähige europäische Stahlindustrie nicht mehr gäbe, existierte auch kein Grund mehr für nicht kostendeckende Dumpingangebo-
te der Importeure. Dann werden unsere Kunden erpressbar und zahlen am Ende die Zeche der Abhängigkeit.
Leider müssen wir davon ausgehen, dass die Phase der internationalen Han- delsauseinandersetzungen eine Weile anhalten wird. Die zuständige EU-Kom- missarin Frau Cecilia Malmström hat die Position, die auch wir vertreten, sehr gut auf den Punkt gebracht: „Die Regeln des internationalen Handels können nicht verletzt werden ohne eine Reaktion von uns. Unsere Antwort ist aber maßvoll, angemessen und in vollem Umfang WTO-konform.“
Nun gilt es, entlang diesen zutreffenden Erkenntnissen entschlossen zu handeln.
STIL: Die Verwerfungen im internatio- nalen Handel sind nur ein Element der externen Herausforderungen. Es blei- ben diejenigen der Energiewende, des CO2-Emissionshandels und der steigen- den Netzentgelte für Strom.
Prof. Fuhrmann: Wir in Deutschland müssen aufpassen, dass uns die Energie- preise nicht völlig aus dem Ruder laufen – für Privatkunden und die Wirtschaft. Allein der demnächst wohl zusätz-
lich herbeigeführte Braunkohleausstieg könnte zu einer weiteren erheblichen Steigerung der Strompreise führen.
Und den Gasmarkt durch eine politisch motivierte Ablehnung von Nord Stream II – die manche im Kopf haben – künst- lich zu verknappen, wäre alles andere als klug. All dies ist natürlich eine immense Belastung des Salzgitter-Konzerns, weil unser Geschäft in vielen Konzernberei- chen auch international ausgerichtet ist und unsere Wettbewerber teilweise schon innerhalb der EU, insbesondere aber außerhalb Europas, die genannten poli- tischen Eingriffe in solcher Form nicht kennen. Es ist und bleibt eine dauerhafte Aufgabe, Politikern und Entscheidern in Berlin und Brüssel vor Augen zu führen, welche Auswirkungen ihr vielleicht gut gemeintes Handeln hat. Es gibt eben auch ökologischen Populismus. Wir sind weit entfernt davon, in Bezug auf umwelt- und energiepolitische Themen ein internatio- nal vergleichbares Wettbewerbsumfeld zu haben. Daran ändert auch die x-te Klima- konferenz nichts. Wenn das so weiter- geht, könnte sich der Komplex zu einer existenziellen Bedrohung industrieller Tätigkeit in Deutschland oder sogar in Europa auswachsen.
Wir realisieren eines der allerersten Projekte praktizierter Sektorkopplung
STIL: Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Einige Wettbewerber investieren in metallurgische Anlagen außerhalb der EU, beispielsweise in den USA.
Prof. Fuhrmann: Ich bin Realist. Der
Dialog mit der Politik kann, wenn er erfolgreich verläuft, das Schlimmste verhindern, wird aber keine durchgrei- fende Rationalität bewirken. Und eine „Verlegung“ der Metallurgie kommt nicht infrage, weil wir unser integriertes Hüttenwerk weiter in Salzgitter betreiben wollen. Wir arbeiten deshalb intensiv
an alternativen Technologien, um die Roheisenproduktion perspektivisch von Koks auf Wasserstoff als Reduktions- mittel umzustellen. Damit können wir die Entstehung von CO2 vermeiden, was wir für den sinnvollsten Ansatz halten. Das wird bedeuten, dass wir die kon- ventionelle Hochofen-Route in definier- ten und wirtschaftlich verantwortbaren Schritten verlassen müssen, um unsere CO2-Emissionen nochmals nennenswert zu vermindern.
STIL: Wie wird das ablaufen?
Prof. Fuhrmann: Das Projekt SALCOS (Salzgitter Low CO2 Steelmaking) sieht für das integrierte Hüttenwerk in Salz- gitter drei Entwicklungsstufen vor. Dabei behalten wir den Markt und die Kunden natürlich immer im Auge, und es wird keine überhastete „Operation am offenen Herzen“ geben. Alle drei Stufen sind be- reits jetzt konkret beschrieben und tech- nisch umsetzbar – das unterscheidet uns von Konzepten des Wettbewerbs. Deshalb können wir der Politik schon heute das konkrete Angebot unterbreiten, zeitnah und nicht erst nach zehn oder mehr Jahre dauernden Technikumsversuchen mit dem Umstieg zu beginnen. Wir wären
in der Lage, sehr schnell in einen groß-
 Das SALCOS-Projekt: Der Weg zu CO2 verminderter Stahlproduktion
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