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Page 55 - Best of STIL 2018 Deutsch
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Stahl (aufge)rollt
Die Haspelanlage im Warmwalzwerk wickelt das zum Teil noch glühende Walzgut zum Coil
Bevor er zum Kunden rollt, wird der Flachstahl aus Salzgitter erst einmal selbst aufgerollt. Die Haspelanlage am Ende der Warmwalz- straße wickelt den zum Teil noch glühenden Stahl zu jenen Coils, die per Lkw oder Bahn zum Besteller transportiert werden.
„Der Kunde gibt die Parameter eines Coils vor“, sagt Sebastian Fuhs, Betriebsleiter im Warmwalzwerk bei Salzgitter Flachstahl, und erklärt, warum ein größeres Coil tendenziell sinnvoller ist: Je größer und schwerer eine solche „Stahlrolle“ ist, desto besser ist es in der Regel für den Kunden, weil er in seiner Produktionsanlage die Coils seltener wechseln muss. Das spart Zeit und somit Geld.
Ein Coil wiegt durchschnittlich 24 t und ist bis zu 2 m breit. Die Haspel- anlage im SZFG-Warmwalzwerk ist sogar für Coils von bis zu 35 t ausgelegt, doch solch schwere Coils werden nur selten bestellt. Sie sind zu schwer für den Lkw-Transport, und nicht alle Kunden können Material von einem Güter- waggon vereinnahmen und Coils mit diesem Gewicht handhaben.
Jedes Coil wiegt fast so viel wie die Bramme, die als Vormaterial dient. Diese wird im Wärmeofen auf ca. 1.200 °C erhitzt,
entzundert und dann in der Vorstraße reversierend
zum Vorband gewalzt. Erst in der Fertigstraße erhält
das Material seine endgültigen Maße: Aus einer 4,80
bis 12,4 m langen Bramme wird hier ein bis zu 2.000 m langes Warmband. Mit einer Geschwindigkeit von bis
zu 70 km/h läuft das Walzgut in der Haspelanlage und wird dabei über die Kühlstrecke auf die vorgegebene Haspeltemperatur abgekühlt. Trotzdem ist der Stahl noch bis zu 590 °C heiß, wenn ihn der Haspeldorn greift. Kein Problem, maximal möglich wären sogar bis zu 740 °C.
Das Aufhaspeln ist der letzte wichtige Fertigungsschritt im Warmwalzwerk. In Salzgitter sind drei Haspeln in- stalliert, die jüngste aus dem Jahr 2010 ist speziell für besonders breite und hochfeste Coils mit einer Dicke von bis zu 25 mm ausgelegt. Der Stahl ist zum Teil noch rot glühend, wenn er sich in hoher Geschwindigkeit um den Dorn wickelt. Gezielte Wassermengen werden auf das aufzuwickelnde Coil gesprüht. Funken sprühen, und eine Dampfwolke vernebelt die Sicht. Komplexe Automatisie- rungssysteme erkennen trotzdem die Materialanfänge und -enden, damit der Haspeldorn punktgenau greifen und sich spreizen kann. Die Präzision hierbei ist so groß, dass ein Bandwechsel gerade einmal sieben Sekunden dauert.
Kaum ist ein Coil vollständig aufgewickelt, wird es aus der Haspel trans- portiert, gebunden und markiert. Der Stahl ist zu diesem Zeitpunkt noch so warm, dass man sich ihm kaum nähern könnte – was hier im Walzwerk aber ohnehin nicht nötig ist.
Alles geschieht vollautomatisch. Nur auf der Steuerbühne verfolgt ein Mit- arbeiter den Produktionsprozess – entweder direkt aus der Steuerbühne oder auf den Bildschirmen, auf denen alle anlagen- und prozesstechnischen Daten angezeigt werden. Auch Sebastian Fuhs kann in seinem Büro außerhalb der Werkshalle alle Vorgänge auf den Bildschirmen verfolgen. „Wir produzieren hier im Warmwalzwerk etwa 12.600 t am Tag, rund 100.000 t kann das Lager hinter dem Warmwalzwerk aufnehmen“, erzählt er.
Ein frisch gewickeltes Coil muss bis zu drei Tage abkühlen, bevor es zur Oberflächenbehandlung in die Beizen kann. Hierfür wird es noch einmal komplett ab- und wieder aufgerollt. Der Stahl, der von Salzgitter auf Schiene oder Straße zum Kunden rollt, ist somit mehrfach gewickelt.
 STAHL ROLLT 55
Sebastian Fuhs ist Betriebsleiter im Warmwalz- werk der Salzgitter Flachstahl GmbH


















































































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