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Page 22 - Best of 2019
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Ufos im ewigen Eis
Unglaubliche Forschungsstationen in der Antarktis: Wie Stahl Forscher und Technik am Südpol vor den Gefahren durch Schnee, Wind und Eis bewahrt
Manche Forschungsstationen in Arktis und Antarktis sind nur eine Ansamm- lung von Containern, Hütten oder gar
Zelten. Andere könnten die Kulisse eines Science- Fiction-Films sein, weil ihre Formen anmuten wie Raumschiffe und die klimatischen Bedingungen im Eis ähnlich lebensfeindlich sind wie im All.
Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, messerscharfe Eiswinde und meterhohe Schnee- verwehungen, die eine ganze Station unter sich begraben, stellen Architekten und Konstrukteure vor große Herausforderungen. Hinzu kommen die logistischen Erfordernisse an Kommunikations- und Versorgungsleitungen. Auch psychische Be- lastungen der Wissenschaftler durch die Isolation sollten die Planer mit der Konstruktion mindern. Und dies alles unter dem Druck knapper Budgets und der Direktive, das Ökosystem zu schützen.
Das Ergebnis sind futuristische Gebilde aus Stahl oder zumindest mit einer stählernen Außenhaut, die der Witterung standhält. So besteht die 2009 eingeweihte belgische Prinzessin-Elisabeth-Station zu 80 % aus Holz. Die nur 1,5 mm dünne Außen- haut aus widerstandsfähigem, rostfreiem Stahl schützt die Konstruktion nicht nur vor der Wit- terung, sondern verhindert auch, dass Wasser in das Holz eindringen kann. Für die indische Station Bharati lieferte die Salzgitter Flachstahl GmbH Stahl mit einer neuartigen Zink-Magnesium-Be- schichtung, die sehr korrosionsbeständig ist.
Noch skurriler als das Prinzessin-Elisabeth-Ufo mutet Halley VI an – eine Herde hochbeiniger Stahltiere. Seit Anfang 1956 betreiben die Briten
auf dem Brunt-Schelfeis in der Weddellsee eine Forschungsstation. Doch Halley I–IV hat der Schnee unter sich begraben und zerstört. Nach diesen Erfahrungen wurde Halley V 1989 auf einer Stahlplattform errichtet, die aber jährlich erhöht werden musste, um sie von Eis und Schnee fernzu- halten. Als die Eisabbruchkante näher kam, wurde der Bau durch eine neue Konstruktion ersetzt und 2012 abgerissen.
Halley VI ist jetzt die erste bewegliche For- schungsstation: Die stählernen Stützen der acht Module stehen auf 3,9 Meter langen Skiern. Als sich 2016 Risse im Eis zeigten, mussten die Stahl- kolosse erstmals umziehen. In 13 Wochen wan- derten die Module 13 km nach Osten. Im Februar 2019 wurde die Station evakuiert, weil in der Nähe ein Eisberg abzubrechen drohte, der die Stabilität des Schelfeises gefährdete.
Ebenfalls auf Stahlstelzen steht die deutsche Polarforschungsstation Neumayer III des Alfred- Wegener-Instituts. Die Stelzen ruhen auf stähler- nen Fußplatten und stehen so tief im Schnee, dass der Raum dazwischen als „Tiefgarage“ genutzt werden kann. Die Beine sind höhenverstellbar, sie heben die Plattform jährlich um 60 bis 100 cm. Die Station ist auf ihre eigene Art mobil – sie treibt auf dem Schelfeis jährlich um 200 m aufs Meer
hinaus. Ganz im Gegensatz zur US-amerikani- schen Amundsen-Scott-Station, deren Besonder- heiten von anderer Natur sind: Sie steht nah am Südpol in 2.835 m Höhe; die Temperaturen liegen hier bei durchschnittlich –49 °C und können auf bis zu –82 °C sinken.























































































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