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Page 9 - Best of 2019
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Dabei befindet sich die Stahlindustrie – wie andere energieintensive Industrien auch – im welt- weiten Wettbewerb. Weil die internationale Kon- kurrenz solche Mehrbelastungen aus Klimaschutz- anstrengungen nicht kennt, ist es aber heute noch unmöglich, diese an die Kunden weiterzugeben.
Dies ist die Konsequenz gesellschaftlich gewoll- ter Entscheidungen sowie staatlichen Handelns mit planwirtschaftlichem Charakter und nicht von wirtschaftlicher Notwendigkeit. Also bedarf es zur Ermöglichung CO2-armer Produktion nun auch politischer Maßnahmen, damit die europäische Industrie im globalen Wettbewerb nicht so sehr ins Hintertreffen gerät, dass sie in ihrer Existenz gefährdet ist.
Es sind verschiedene Optionen denkbar: Es könnte eine Klimaumlage auf Endprodukte für die Konsumenten oder ein Grenzausgleichsregime für Stahlimporte in die EU geben. Wir bevorzugen allerdings einen marktwirtschaftlichen Lösungsan- satz: Stahlverarbeiter und die Automobilindustrie sollten einen konkreten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Einsatz CO2-armen Stahls ziehen, indem eine solche zu Mehrkosten führende Beschaf- fungsentscheidung auf deren CO2-Minderungs- verpflichtungen angerechnet werden könnte. Unsere Kunden hätten so einen konkreten wirt- schaftlichen Vorteil.
STIL: Das klingt reichlich kompliziert. Auch wenn uns das nicht gefällt: Wäre es nicht am einfachsten, die Stahlherstellung in der EU herunterzufahren? Prof. Fuhrmann: Nach dem Sankt-Florians- Prinzip wäre die Politik dann das Emissionsthema auf Kosten von Arbeitslosigkeit, Wohlstand, indus- trieller Basis und Carbon Leakage losgeworden. Aber ganz unemotional: Die schrittweise Dekar- bonisierung der Stahlindustrie ist – trotz der
auch hier erforderlichen Investitionen und der Mehrkosten des laufenden Betriebs im Wasser- stoffmodus – verglichen mit anderen Sektoren die ökonomischste Variante zur CO2-Verringerung. Die Stahlindustrie sollte daher – wenn es rational zugeht – in der Prioritätenskala ganz oben stehen.
Deutschland trägt etwa 2,3 % der weltweiten CO2-Emissionen bei. Das Weltklima wird auch dann nicht gerettet, wenn hier die Industrie in Großteilen stillgelegt wird – und mit ihr Hundert- tausende Menschen direkt in die Arbeitslosigkeit entlassen werden.
Von China oder Indien, um nur zwei sich rasant entwickelnde Staaten zu nennen, ist dann nicht
zu erwarten, dass sie unserem Beispiel folgen. Wenn wir uns zur Modellregion erklären, dann sind wir zum Erfolg verdammt. Wir müssen einen reißenden Strom durchschwimmen, dürfen dabei aber nicht ertrinken. Denn dann wird uns keiner folgen, der noch am Ufer steht.
STIL: Regelmäßig werden in wirtschaftlich schlechteren Zeiten Fusionsgedanken für
die Stahlindustrie erneuert. Wie kommentieren Sie solche Überlegungen?
Ebenfalls großes Interesse zeigte Dr. Bernd Althus- mann (l.), niedersächsischer Wirtschaftsminister, an dem wichtigen Zukunftsprojekt
 Prof. Fuhrmann: In den vergangenen gut 22 Jah- ren in unternehmerischer Eigenständigkeit haben wir ohne jeden Zweifel eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Die Salzgitter AG ist ein international wettbewerbsfähiger Konzern, der finanziell und bilanziell solide sowie technisch gut aufgestellt ist.
Dabei sind wir nicht doktrinär, wir verweigern uns keinen Kooperationen, wie unser langjäh- riges Joint Venture EUROPIPE oder die Beteili- gung an HKM zeigen. Voraussetzung ist stets ein wirtschaftlich tragfähiges Konzept zu allseitigem Nutzen. Bis heute haben wir noch kein Fusions- konzept mit einem Wettbewerber im Stahl gesehen, das für uns eine erkennbar vorteilhafte Perspektive aufgezeigt hätte. Ob es dies eines Tages geben wird, kann und darf ich aber nicht aus- schließen; allein schon deshalb, weil unser volks- wirtschaftliches und vor allem regulatorisches Umfeld sich – wie gerade erörtert – so massiv ändert wie seit 1945 nicht.
STIL: Wie schauen Sie ins laufende Geschäftsjahr? Prof. Fuhrmann: Das Jahr wird nicht einfach.
Um bei dem eingangs benutzten Bild zu bleiben: Die in 2019 einsetzende Schlechtwetterlage setzt sich fort. Der Flug hindurch bleibt turbulent! Wir sind vorbereitet und haben uns sehr rechtzeitig auf den Weg gemacht, den Konzern und seine Gesell- schaften zukunftsorientiert aufzustellen – nicht mit Visionen, sondern mit konkreten Maßnah- men. Unsere Unternehmenssubstanz ist nach wie vor solide, meine Kollegen im Vorstand und in den Geschäftsführungen unserer Gesellschaften wie auch ich selbst verfügen über eine Menge Erfah- rung mit konjunkturellen Zyklen, daher bleiben wir ruhig: Wir haben mit dem Land Niedersachsen einen stabilen Ankeraktionär und die Unterstüt- zung eines kompetenten Aufsichtsrates. Wir setzen unseren Kurs fort und werden eine erfolgreiche Zukunft gestalten.
SALZGITTER INSIDE 9
Foto: Peter Lenke


















































































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