Während im Rahmen der Bundespolitik heiße Debatten um die Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte geführt werden, kann die Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH (MGB) ganz entspannt bleiben. Zu Recht: Denn in Sachen „leitende Stahlarbeiterinnen“ liegt das Unternehmen auch im Konzernvergleich vorn.

Ein Blick in die Vorstandsetagen der 200 größten deutschen Unternehmen lässt keinen Zweifel: Frauen mit Führungsverantwortung sind hier mit einem Anteil von lediglich 2,5 Prozent, so ist in dem vom DIW Berlin – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung herausgegebenen „Führungskräfte-Monitor 2010“ nachzulesen, äußerst selten anzutreffen. Ein Bild, das sich auch in der Salzgitter AG widerspiegelt. Mit einem Frauenanteil von etwa 12 Prozent im Konzern sowie rund 11 Prozent bei den Führungskräften sind Frauen im Salzgitter-Konzern deutlich unterrepräsentiert. Ob kulturelle Barrieren oder traditionelle Denkmuster den Aufstieg von Frauen erschweren; ob es das zurückhaltende Interesse von Frauen an naturwissenschaftlich und technisch geprägten Studiengängen ist oder die Tatsache, dass die Stahlindustrie an sich eher weniger Anziehungskraft auf Frauen ausübt – all das dürfte in unterschiedlicher Ausprägung sicherlich zu den Gründen zählen. Fakt ist, dass Frauen heute häufig bessere Schul- und Studienabschlüsse liefern und beruflich erfolgreich sein wollen. Ein Potenzial, das sich der Salzgitter-Konzern im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter im Rahmen der Generationen-Offensive (GO) erschließen möchte.

Salzgitter Mannesmann Grobblech gilt hierbei im positiven Sinne als Ausreißer. Von den insgesamt 47 Frauen, die im Werk arbeiten, stehen im technischen Bereich mit Dr. Heike Meuser, Leiterin Qualitätswesen und Planung, und Rohrbiegewerks-Chefin Elke Muthmann gleich zwei Frauen als Betriebschefinnen in der neunköpfigen MGB-Führungsriege direkt unterhalb der Geschäftsführung – das macht allein auf dieser Ebene 22 Prozent. In leitenden Positionen folgen mit Dr. Christine Beltrami, Betriebsleiterin Walzbetrieb, Stefanie Huber, Betriebsleiterin Mechanische Instandhaltung, sowie Anja Budde, Abteilungsleiterin Blechwalzwerk Planung, drei weitere weibliche Führungskräfte. Ein Anteil, der insbesondere im technischen Bereich der männerdominierten Stahlbranche absolut untypisch ist.

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Wie kommt‘s? Geschäftsführer Dr. Fabian Grimpe bringt es recht einfach auf den Punkt: „Auf der Suche nach geeignetem Personal achten wir auf Qualität, nicht auf Quote.“ Als modernes Unternehmen hat sich MGB längst von angestaubten Vorurteilen losgesagt – gleichzeitig für Strukturen gesorgt, die es auch Frauen ermöglichen, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung beispielsweise, die allerdings keineswegs nur für Führungskräfte, sondern eben für alle Mitarbeiter vom Pförtner bis zum Vorstand geschaffen wurde. Auch ein verändertes Rollenverständnis trägt dazu bei, dass Kindererziehung längst nicht mehr allein Frauensache, Karriere nicht Männersache ist.

Elke Muthmann, Betriebschefin des Rohrbiegewerkes mit 54 Mitarbeitern, hat zwei Töchter: die 2003 geborene Franziska und die kleine Greta, die 2006 zur Welt kam. Um die Erziehung der beiden kümmert sich Ehemann Walter, der vor dieser Aufgabe als Bergbau-Ingenieur tätig war. „Ein Pflegefall im Elternhaus und unser Wunsch, im Ruhrgebiet wohnen zu bleiben, waren Gründe dafür, dass es mein Mann ist, der sich zuhause um alles kümmert und ich weiter arbeiten gehe“, berichtet sie und erklärt weiter: „Die Kombination von Familie und Arbeit als Führungskraft ist nicht wirklich einfach – eine Situation, die männliche Kollegen genauso kennen“. In ständiger Hetze zwischen Arbeit und Familie bleibt oft ein schlechtes Gewissen. Ein täglicher Konflikt, nicht genug Zeit für die Familie aufzubringen, aber gleichzeitig die Arbeit so zu erledigen, dass man mit sich selbst zufrieden ist. Es erfordert jede Menge Selbstdisziplin, aber auch möglichst feste Zeiten, beispielsweise für das gemeinsame Abendessen mit der Familie, um diesen hohen Ansprüchen immer aufs Neue gerecht zu werden.

Absehbar ist für die insgesamt 56 Mitarbeiter von Qualitätswesen und Planung die Rückkehr ihrer Betriebschefin Dr. Heike Meuser. Im Juni wird für sie – nach der Geburt der kleinen Theresa im Oktober 2010 – die Elternzeit beendet sein. Etwa ein halbes Jahr hat sie dann ausgesetzt, genau so lang wie bei ihrem ersten Kind, Söhnchen Lennart, der 2008 zur Welt kam. 2003, direkt nach ihrer Promotion in Aachen, war Dr. Heike Meuser als Betriebsingenieurin zu MGB gekommen, wurde zunächst Betriebsleiterin, dann Betriebschefin – kein Hindernis für konkrete Familienplanung. „Natürlich ist es stressiger für die Kollegen, die die Stellung halten“, berichtet sie. „Aber man ist ja nicht aus der Welt, ich bin telefonisch und per E-Mail zu erreichen, hin und wieder sogar im Werk, das funktioniert schon.“ Die Rückkehr in den Berufsalltag haben Dr. Heike Meuser und ihr Mann, der ebenfalls Elternzeit genommen hat, längst geregelt: Söhnchen Lennart geht in den Kindergarten und Theresa ist bei einer Tagesmutter bestens untergebracht.

Dr. Christine Beltrami stieg 2008 als Betriebsleiterin Walzbetrieb bei MGB ein. Nach Studium, Promotion und Forschungsarbeit hatte sie 1997 ihren ersten Job bei einem Hersteller warmgewalzter Spezialprofile angenommen. Hier übernahm sie bereits nach drei Jahren in der Produktentwicklung Führungsaufgaben, leitete eine Abteilung mit zehn Mitarbeitern. Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten waren der Grund, dass sie sich nach insgesamt zehn Jahren neu orientierte. Heute führt sie als Betriebsleiterin Blechwalzwerk 118 Mitarbeiter im Walzbetrieb. Nach ihrer Zeit an der Uni sei es für sie schon etwas schwieriger gewesen, als Frau in der Stahlbranche den „Fuß in die Tür zu bekommen“, erinnert sie sich. „Wenn man aber erst einmal dabei ist, gibt es keine Probleme“. Die 46-Jährige ist verheiratet und hat keine Kinder – erlebt jetzt gerade als Chefin „Rollentausch“ live: mit dem Betriebsingenieur Stefan Meinerzhagen geht demnächst zur Abwechslung mal ein Mann in Elternzeit.

Stefanie Huber ist mit 33 Jahren die wohl jüngste Betriebsleiterin bei MGB. Zunächst als Betriebsingenieurin eingesetzt, wurde sie im Sommer 2010 zur Betriebsleiterin in der Mechanischen Instandhaltung befördert. Und ist damit Chefin von über 60 Mitarbeitern, bis auf eine Ausnahme alle männlich. Ein Problem? „Nein, ganz und gar nicht“, berichtet sie – wohl wissend, dass eine Frau in der Instandhaltung schon ein bisschen außergewöhnlich ist. „Das hat eben auch mit Schmutz, mit Öl zu tun und gehört mit zum Job.“ Und der macht ihr – Beförderung hin, Beförderung her – einfach großen Spaß.

Wenn Anja Budde, Leiterin der Planungsabteilung, heute zu ihrem Arbeitsplatz im Blechwalzwerk fährt, dann fühlt sie sich am Ziel. „Bei der Arbeit in der Produktionsplanung gibt es nie Routine, da geht es um schnelle Entscheidungen“, erklärt die Duisburgerin, die neben der spannenden Aufgabe auch das tolle Betriebsklima lobt. Dabei waren ihre ersten Berufsjahre noch von der Suche nach einer beruflichen Herausforderung geprägt, denn: „Wenn Du weiterkommen möchtest, dann musst Du alle fünf Jahre etwas neues machen – so dachte ich zumindest damals“, erzählt sie weiter. Bei ihrem Einstieg in der männerdominierten Stahlbranche musste sie zunächst die „klassischen“ Hindernisse überwinden. Eine vakante Planstelle in der Produktionsplanung bei einem anderen Industrieunternehmen sollte sie nämlich trotz bester Abschluss-Noten nicht bekommen – nur, weil sie eine Frau ist. Ein Fakt, den sie damals nicht auf sich beruhen lassen wollte. Einen Tag nach der Ablehnung stand sie bei dem zuständigen Betriebsleiter erneut auf der Matte und bat nochmals um eine Chance. Ihre Hartnäckigkeit wurde belohnt – sie bekam die zunächst auf ein halbes Jahr befristete Stelle und war damit die erste Frau in der Produktionsplanung überhaupt. Der Vertrag wurde verlängert, sie stieg auf, übernahm als Gruppenleiterin Verantwortung. Nach Tätigkeiten in Bochum und Dortmund hat es sie inzwischen nach Mülheim verschlagen. Seit Dezember 2003 führt die 47-Jährige die Planungs-Abteilung im Blechwalzwerk.

Auch im nicht-technischen Bereich setzt MGB auf weibliche Kompetenz: Ariane Iffland ist Leiterin der Abteilung Umweltschutz; im Controlling und im Energieeinkauf rückt weiterer weiblicher Fach- und Führungsnachwuchs nach. Übrigens: bei MGB gibt es einen Frauenbeauftragten – mit Personalleiter Ulrich Scholten ist dies ein Mann. Warum aber auch nicht? Schließlich muss man einen „frauentypischen“ Posten nicht zwangsläufig weiblich besetzen – auch das ist Gleichstellung.

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