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Page 22 - STIL 04 2016
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TITELGESCHICHTE
Stählerne Relikte aus Hülsede
Stefanie und Stefan Sievers aus Lauenau bei Hannover sammeln alte Traktoren. Klingt spleenig, wird aber als Hobby immer beliebter – und ist ziemlich aufregend, wie STIL erleben dur e
Als wir Stefan Sievers bitten, den Ursus zu starten, lächelt er und sagt: „Einen Augenblick.“ Welch maßlose Unter- treibung! Denn was dann folgt, ist eine
Prozedur, die an steinzeitliches Feuermachen erinnert. Stefanie, 38, und Stefan Sievers, 40, haben ihre Trecker-Oldtimer für uns auf ihrem Hof im benachbarten Hülsede im Halbkreis aufgestellt. Mittendrin der Ursus C-45, ein Monster aus grau- em Stahl. „Ursus“ – lateinisch für „Bär“ – hieß
ein polnischer Traktorenhersteller, und der C-45 war ein lizenzloser Nachbau des Lanz-Bulldog
D 9506, den Ursus 1947 bis 1959 produzierte. Der 10,3-Liter-Dieselmotor der Kopie leistet 45 PS.
Dieses Monster zu wecken bedeutet Arbeit. Ste- fan Sievers ö net eine Klappe und entnimmt dem Bauch des Bären eine Heizlampe, die einer Petro- leumleuchte ähnelt. Um sie anzuzünden, zerstäubt er mit ihrem Hebel erst Benzin, bis sein Feuerzeug die Flamme entfacht. Dann schiebt er die Heiz- lampe in die „Glühnase“ des Ursus – eine Ausstül- pung am Kopf des Bären, der sofort zu fauchen beginnt. Doch noch ist Geduld gefragt, denn das Feuer muss nun den Glühkopf erhitzen, damit
der Riesenmotor anspringen kann. Denn bei Glüh- kopfmotoren zündet das Kra sto -Lu -Gemisch in der Glühnase – und wie beim Dieselmotor al- lein durch Hitze ohne die Hilfe eines Zündfunken. Erst bei 600 Grad kann Sievers es wagen, mit dem Schwungrad den Motor anzuwerfen. Schwungrad?
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Sievers hat plötzlich das Holzlenkrad samt Lenk- säule in der Hand, steckt die Stange in die Flanke des Ursus und dreht vorsichtig am Rad. Es zischt, eine weiße Rauchwolke entweicht dem Glühkopf, dann ein Husten und ein lauter Schlag. Der Bär erwacht zum Leben, der Motor hämmert und das Gefährt setzt zum Sprung an, doch die Bremsen vereiteln jeden Ausreißversuch. Jetzt gleicht der Ursus tatsächlich einem in Eisen gelegten Tier, das wütend an seinen Ketten zerrt. Zugleich wirkt er urig, wenn er aus dem Schornstein weiße Wölkchen hustet wie in einem Disney-Zeichentrickfilm.
Spätestens jetzt erliegen Stadtmenschen der Fas- zination dieser alten Landmaschinen und verste- hen, warum es Sammler, Vereine und Tre en gibt. Stefanie Sievers ist Vorsitzende des „Treckerclub Samtgemeinde Nenndorf e. V.“ (www.trecker-club. de und www.facebook.de/treckerclub). Dessen
83 Mitglieder p egen rund 120 Traktoren verschie- dener Hersteller. So viele und o  noch mehr tu- ckern über die Landstraßen zu den Oldtimertre en, die bundesweit, aber auch im benachbarten Aus- land stattfinden. Dort sind nicht nur Trecker zu se- hen, auch längst außer Dienst gestellte Dresch- maschinen und P üge dürfen noch einmal zeigen, wie sie früher die Landarbeit erleichterten.
Die Szene lebt und wächst. „Die Zahl der Veran- staltungen und Teilnehmer nahm in den letzten Jahren deutlich zu“, sagt Stefan Sievers. Das treibt leider die Preise in die Höhe. „Für einen guten


































































































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