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Page 37 - Stil 01 2018
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trieb funktioniert die Anlage also wie eine Brenn- sto zelle – oder simpler gesagt: wie eine Batterie. Das System kann in einer zunehmend auf erneuer- baren Energien basierenden „Stromwelt“ als Pu er wirken und somit zur Netzstabilität beitragen.
Eine Reduktion des CO2-Ausstoßes um bis zu 95 % wäre möglich
Modellrechnungen bescheinigen SALCOS® ein enormes Einsparpotenzial: Die (teil-)wassersto - basierte Eisenerzreduktion unter Verwendung des mit erneuerbaren Energien produzierten Wasser- sto s ermöglicht es, CO2-Emissionen bis 2050 sogar stärker zu reduzieren, als es die EU-Klima- ziele vorsehen. Erweiterte man das Hüttenwerk schrittweise um Direktreduktionsanlagen, Elektro- lyseure und Elektrolichtbogenöfen, die mit Strom aus erneuerbaren Energien zu betreiben wären, ließe sich bei gleichzeitiger, schrittweiser Reduzie- rung der über die Hochofen- und Konverterroute erzeugten Stahlmengen der CO2-Ausstoß je nach Ausbaustufe um 10 bis 50 % senken. Könnte die ganze Stahlproduktion umgestellt werden, wäre sogar eine Reduktion zwischen 85 % und 95 % möglich, je nach Umfang des Wassersto einsatzes.
So stichhaltig die technische Expertise und so verführerisch ökologische Modellrechnungen klingen mögen, so müssen doch noch zwei große Herausforderungen gemeistert werden, um die Stahlindustrie nachhaltig zu dekarbonisieren: Die Wirtscha lichkeit und die Umstellung des Hütten- betriebs ohne Einschränkungen der Produktquali- tät und der Anlagenverfügbarkeiten.
Um die technische und wirtscha liche Rea- lisierbarkeit des Projekts zu prüfen, haben die Ingenieure und Wissenscha ler von Salzgitter Flachstahl, Salzgitter Mannesmann Forschung und der Fraunhofer-Institute im vergangenen Jahr die Machbarkeitsstudie MACOR gestartet, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und auf drei Jahre angelegt ist.
Die Herausforderungen an die Planer sind groß, denn eine Integration von Direktreduktionsanla- gen und Elektrolichtbogenöfen in ein bestehendes integriertes Hüttenwerk bei laufender Produktion hat es weltweit noch nicht gegeben – erst recht nicht unter Einbindung einer Wassersto produkti- on auf Basis erneuerbarer Energien.
Klar ist schon jetzt, dass der Umstellungsprozess nur schrittweise und über einen längeren Zeitraum ablaufen kann. Das SALCOS®-Projekt sieht hierfür einen Mehrstufenplan vor: Nach der derzeitigen Phase einer Machbarkeitsstudie könnte bis nach 2020 eine zweistu ge Pilotphase folgen, an deren Ende der CO2-Ausstoß schon um bis zu 26 % sinken würde. Die vollständige Umsetzung könnte wiederum in zwei Stufen bis 2040 vollzogen werden. Am Ende wäre es möglich, durch drei Di- rektreduktionsanlagen, drei Elektrolichtbogenöfen und eine dazu passend dimensionierte Elektrolyse- anlage zur Produktion des grünen Wassersto s bis zu 95 % des heute emittierten CO2 einzusparen.
Technisch wäre das alles zu meistern, davon sind Dr.-Ing. Alexander Redenius, Hauptabteilungslei- ter Ressourcene zienz und FuE-Koordination bei Salzgitter Mannesmann Forschung sowie Dr.-Ing. Volker Hille, Leiter Corporate Technology bei der Salzgitter AG, überzeugt. „Die benötigten Tech- nologien sind grundsätzlich verfügbar“, sagen sie. Doch käme in den Augen beider Experten ein Startschuss unter den heutigen Rahmenbedingun- gen einem „wirtscha lichen Harakiri“ gleich.
Denn rein betriebswirtscha lich betrachtet, ergeben für einen europäischen Stahlproduzenten Investitionen in Direktreduktionstechnologie und Elektrostahlerzeugung derzeit keinen Sinn. Die Preiskonstellationen der relevanten Ein ussgrößen Kohle, Erdgas, Strom, staatlich induzierte Abgaben darauf und Wassersto  sind – auch wenn man län- gere vorher liegende Zeiträume betrachtet – häu g zu ungünstig für einen kontinuierlich wirtscha li- chen Betrieb. Die Errichtung von Anlagentechnik im erforderlichen großen Stil ist aber nur dann
zu rechtfertigen, wenn damit weiterhin dauerha  wettbewerbsfähig Stahl produziert werden kann.
Die Politik muss die nötigen Rahmenbedingungen scha en
Dies alles gilt übrigens in noch stärkerem Maße für die anfangs erwähnte CO2-Verwertung (CCU), die noch erheblich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen verbrauchen würde als die in Salzgitter angedachte Strategie. Deshalb verfolgt die Salzgitter AG solche anfangs ebenfalls untersuch- ten Wege nicht weiter und ist überzeugt: Eine End- lagerung von CO2 (CCS) scheidet in Deutschland aufgrund mangelnder gesellscha licher Akzeptanz aus. Man könnte es deshalb selbstbewusst auch so formulieren: Dieser Weg ist als einziger der drei vorgestellten Varianten (CCS, CCU, CDA) wirk- lich nachhaltig und technologisch der bessere – er hat aus Sicht von Salzgitter daher auch die höchs- ten Realisierungschancen.
Es braucht dafür aber – im Sinne des Klima- schutzes – veränderte Rahmenbedingungen für die hiesige Stahlindustrie. Dazu gehört neben wettbe- werbsverträglichen Regelungen zum Beispiel auch eine weitestgehende Befreiung von der EEG-Um- lage, eine Berücksichtigung im Emissionsrechte- handel und auch eine maßgebliche Förderung der nötigen Investitionsmaßnahmen. Die Salzgitter AG be ndet sich hierzu in intensiven Gesprächen auf nationaler und europäischer Ebene.
Trotz aller Unwägbarkeiten verfolgt und fördert die Salzgitter AG die Projekte SALCOS® und GrInHy im Sinne eines vorausschauenden und somit verantwortlichen Handelns. Schließlich ist es immer gut, die nötigen Technologien und Kennt- nisse bereits zu besitzen, wenn sich die Rahmen- bedingungen positiv entwickeln sollten. Allerdings liegen die Schlüssel zur Realisierung nicht allein
in den Händen der Ingenieure, Wissenscha ler und der Industrie, sondern vor allem in denen der politisch Verantwortlichen.
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