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Page 9 - STIL 03 2018
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    und dem Transportwesen einen Riesenfortschritt. Doch die ersten Schienen, die die Eisenbahnbauer verlegten, mussten nach wenigen Monaten erneu- ert werden, weil sich das Guss- oder Schmiede- eisen verbogen hatte. Der Mangel an Qualitätsstahl drohte den Fortschritt auszubremsen.
Erst Henry Bessemer gelang es, Stahl mit dem gewünschten Kohlenstoffgehalt herzustellen. Der britische Ingenieur und Erfinder entwickelte Mitte des 19. Jahrhunderts ein Verfahren, um dem koh- lenstoffreichen Gusseisen Kohlenstoff zu entziehen – und so dessen Anteil im Stahl genau einzustel- len. So konnte die Massenproduktion von Stahl gelingen – allerdings erst, als man phosphorarmes schwedisches Erz für dieses Verfahren verwendete.
Eisen und Stahl und in ihrem Zuge auch der Bergbau, der die Erze und Kohle zutage förderte, waren der Motor der Moderne. Stahl etablierte sich als Baustoff für Schiffe, Brücken und Ge- bäude – der 1889 anlässlich der Weltausstellung fertiggestellte Eiffelturm präsentierte der Öffent- lichkeit die neue Kunst der Ingenieure und Archi- tekten. Noch Ende der 20er-Jahre des 20. Jahr- hunderts galt die Schwerindustrie als Inbegriff
des Fortschritts, was u. a. in Fritz Langs Science- Fiction-Klassiker „Metropolis“ von 1927 zu sehen ist: Der Film zeigt riesige stählernen Produktions- maschinen als Inbegriff der Macht und Herrschaft. Wenig später, Anfang der 30er-Jahre, verstand
die Wissenschaft dann auch endlich, was im Stahl während der Produktion tatsächlich vorgeht.
Noch weit bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts galt die Stahlproduktion als Grad- messer einer Wirtschaftsmacht, aus der sich auch die politische Bedeutung eines Staates ableitete. Keinem anderen Werkstoff kam je eine solch extreme Bedeutung zu. Allerdings verschiebt die Digitalisierung als neuer „Treibstoff “ des zivilisa- torischen Fortschritts diese Parameter zunehmend.
Eisenerz und Salz machten auch den Raum Salzgitter früh attraktiv
Der Erzabbau und die Eisenproduktion forcierten jedoch nicht nur die Entwicklung einer Zivili- sation oder eines Staates, sondern immer auch
die einzelner Regionen. Hierfür bietet der Raum Salzgitter ein gutes Beispiel. Die hiesigen Eisen- erz- und Kohlevorkommen bildeten zusammen mit dem Salz die Grundlage für die Besiedlung des Gebietes. Schon vor 1.800 Jahren wurde hier Eisen verhüttet. Im 19. Jahrhundert entstanden im Zuge der Industrialisierung das Eisenwerk Salzgitter und die Hütte in Ilsede. Da das Salzgitter-Erz stark kieselsäurehaltig und arm an Eisen war, wurde es aber lange nur als Zuschlagerz verwendet, bis das Eisenwerk sogar schließen musste. Doch nach dem Ersten Weltkrieg und dem Verlust der Erzvorkom- men in Elsaß-Lothringen kam Salzgitter wieder
ins Spiel – zumal neue Verfahren die Verhüttung der sauren Salzgitter-Erze ermöglichten. Und in diesem Spiel wirkt der Standort bis heute mit.
Bauetappen des Eiffel­ turms, der nach seinem Erbauer Gustave Eiffel benannt wurde. Am Ende maß die Konstruktion aus Eisenfachwerk 324 m – damals eine technische Sensation. Mit heutigen Stählen und Fertigungs­ verfahren gebaut, wöge er nur 30 % seines Gewichts
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Fotos: Théophile Féau / L‘histoire par image






















































































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