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Page 9 - Best of STIL 2018 Deutsch
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kann man relativ kurzfristig signifikante CO2-Einsparungen erzielen.
STIL: Welche konkreten Schritte unter- nehmen wir auf dem Weg zu SALCOS? Prof. Fuhrmann: Im Rahmen des GrInHy-Projekts betreiben wir bereits die derzeit leistungsstärkste Hochtemperatur- Elektrolyse-Versuchsanlage. Im Jahr 2020 werden wir diese Anlage im Folgeprojekt GrInHy2.0 durch eine fünfmal größe-
re ersetzen. Außerdem wollen wir eine PEM-Elektrolyse errichten. Beide Anla- gen werden auf dem Werksgelände Was- serstoff erzeugen. Die PEM-Elektrolyse ist in das Projekt „Windwasserstoff Salzgit- ter“ mit den Partnern Avacon AG und Linde AG eingebettet (siehe Seite 30), bei dem wir zusätzlich auch Strom mit sieben Windkraftanlagen erzeugen wollen. Damit realisieren wir eines der allerersten Projekte praktizierter Sektorkopplung! Wie gesagt: Wir belassen es nicht bei Ab- sichtserklärungen und bunten Broschü- ren, sondern gehen den so anspruchsvol- len Transformationsprozess hin zu einer wasserstoffbasierten Stahlerzeugung mit konkreten Schritten an.
STIL: Wir reden sicherlich über erhebli- che Investitionen.
Prof. Fuhrmann: Richtig! Und genau deshalb wird SALCOS ohne eine be- trächtliche öffentliche Anschubfinan- zierung nicht in die Realität umgesetzt werden können – das ist klar und das kommunizieren wir auch ganz offen. Im Übrigen ist solch ein Vorgehen nichts Au- ßergewöhnliches, andere Unternehmen haben auch eine öffentliche Anschubfi- nanzierung erhalten.
Der Aufrichtigkeit und Vollständig- keit halber sei noch angemerkt, dass der Strom, den wir in der Elektrolyse ver- brauchen werden, nicht mit EEG-Umlage belastet sein darf.
Auch dies ist keine unbotmäßige For- derung, sondern nur die Herstellung in- ternational vergleichbarer Bedingungen. Wenn dies gewährleistet ist, besteht für das SALCOS-Projekt eine ausgezeichnete Chance, ein technologischer, ökologischer Erfolg bei wettbewerbsfähiger Ökonomie zu werden!
STIL: Das klingt doch sehr überzeugend. Wie beurteilen Sie denn ganz allgemein die öffentliche Diskussion über energie- und industriepolitische Ziele?
Prof. Fuhrmann: Die ist nicht immer förderlich für rationale Lösungen. Wir bewegen uns viel zu häufig in Richtung von Hysterie und emotionsgeleiteter
Erster Spatenstich bei der Ilsenburger Grobblech GmbH (v. l.): Dr. Roger Schlim, Geschäftsführung ILG; Professor Heinz Jörg Fuhrmann, Vorstandsvorsitzender SZAG; Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsi- dent; Professor Armin Willingmann, Wirtschaftsminister; Burkhard Becker und Michael Kieckbusch, beide Vorstand SZAG
 Beurteilung. Es verwundert schon sehr, wie beispielsweise in Diskussionen über Klimaschutz, künftige Energiegewinnung und Mobilität die Rollen verteilt sind, und wie selektiv manchmal Fakten betrachtet oder eben ausgeblendet werden. Es wird leider immer mehr vergessen, worauf
der Wohlstand unserer Gesellschaft und damit deren soziale Stabilität zu einem wesentlichen Teil beruht: Deutschland ist das Land mit dem höchsten Industriali- sierungsgrad in Europa. Dies ist die Basis und der Bezugspunkt für viele weitere wirtschaftliche Aktivitäten. Wir sollten nicht so töricht sein, unsere Wohlstands- basis zu beschädigen. Als Vertreter der Industrie steht man schnell unter dem Generalverdacht, nur an Profitmaximie- rung interessiert zu sein. Wer sich auf Fakten und Logik beruft, wird häufig auf unqualifizierte Weise abgekanzelt – gut zu verfolgen in manchen Talkshow-Runden.
Wer sich gar traut, dem Mainstream zu widersprechen, läuft Gefahr, moralisch diskreditiert zu werden. Das erinnert bisweilen an die Herrschaft der Jakobi- ner, welche auch die Tugend als obers- tes Gebot proklamierten und für sich beanspruchten. Wir brauchen aber keine Denkverbote, sondern unsere pluralisti- sche Gesellschaft benötigt dringend die sachliche Kontroverse, die Auseinander- setzung im besten Sinne des Wortes mit anderen Meinungen und Beurteilungen. Nur so können dauerhaft tragfähige Lö- sungen auf Basis eines konsensbasierten Interessenausgleichs gefunden werden.
STIL: Was lässt Sie für die Salzgitter AG und persönlich positiv ins Jahr 2019 blicken?
Prof. Fuhrmann: Wirtschaftlicher Erfolg ist eine flüchtige Materie. Die mehr als vorzeigbare Entwicklung der Salzgit-
ter AG besonders in den letzten fünf Geschäftsjahren darf nicht dazu verleiten, in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Wenn mich nicht alles täuscht, fliegen wir in eine turbulentere Konjunkturzone. Es ist uns gelungen, ab 2013 die Verlustbringer im Konzern zu sanieren. Nun gilt es, die Tochtergesellschaften noch ein Stück näher an ihre Leistungsoptima zu führen. Damit machen wir den Konzern wetter- fest und die allermeisten Arbeitsplätze sicher.
Dass wir in teilweise unruhigen Zeiten leben, sollte uns nicht allzu sehr schre- cken, sondern Agilität, Phantasie und Schaffensfreude fördern. Eben so, wie wir die vergangenen 20 Jahre gemeistert haben.
Persönlich empfinde ich schon eine gewisse Genugtuung und Dankbarkeit, weil ich an den wichtigen Entscheidun- gen der letzten zwei Jahrzehnte intensiv mitwirken und manche Weichenstellung initiieren durfte. Als realistischer Opti- mist freue ich mich auf die kommenden Aufgaben. Wir sind ein tolles Team. Wir haben uns ohne Pomp und Starkult, dafür mit Kompetenz und ehrlicher Arbeit, in der Bundesliga der Wirtschaft behauptet. So machen wir weiter.
SALZGITTER INSIDE 9
Foto: Carsten Brand















































































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