Page 9 - STIL 3 2023
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Architektur ist allgegenwärtig: Immer und überall sichtbar, umgibt sie uns die meiste Zeit unseres Lebens. So wie Klei- dung, nur dass wir mit ihr nicht unsere Körper, sondern die Räume umhüllen, in denen wir uns aufhalten: Wohnhäuser, Arbeitsstätten und unzählige nutzorien- tierte Bauten wie Bahnhöfe, Brücken, Produktions- und Sportstätten.
Architektur muss dabei Anforderungen der Ästhetik, Funktionalität und Wirt- schaftlichkeit erfüllen. Inzwischen kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Nach- haltigkeit. Befragt man Architekten und Bauingenieure, kann Stahl in allen diesen Disziplinen als Baumaterial punkten.
Das war nicht immer so. Viele Jahre lang diente der Werkstoff nur als Mittel zum Zweck: Stahl lieferte das Material für die Skelette von Bauten, deren Formen und Fassaden mit anderen Baustoffen ge- staltet wurden. Doch berühmte Archi- tektinnen und Architekten wie Zaha Hadid, Frank Gehry und Moshe Safdie er- kannten das Potenzial und den Charme von Stahl. Sie nutzten in spektakulären Bauwerken sein konstruktives Potenzial und werteten ihn zum dominanten op- tischen Element auf. Stahl wurde zum Gegenstand architektonischer Experi- mente, ob poliert, bronziert oder auch patiniert. Der bei bildenden Künstlern
beliebte Cortenstahl startete seine Kar- riere als wetterfester Baustahl.
Dabei stießen Architekten mitunter auf Widerstand und Unverständnis, wie ein berühmtes Zitat von Frank Gehry erken- nen lässt, der sein eigenes Wohnhaus in Santa Monica mit Maschendrahtzaun und Wellblech in Form brachte: „Wenn ich mit diesen Wellblech- und Maschen- draht-Sachen zu Treffen kam, sahen mich die Leute an, als wäre ich gerade vom Mars gelandet. Aber ich konnte nichts anderes tun. Das war meine Ant- wort auf die Menschen und die Zeit.“
Ästhetik und Gestaltungsfreiheit
Architekten erkannten, dass Stahl ihnen eine größere gestalterische Freiheit gab und sie schlankere, leichtere und somit elegantere Tragstrukturen verwirklichen konnten als zum Beispiel mit Beton. Denn unter allen Baustoffen ist Stahl das Material mit dem besten Verhältnis von Volumen zu Tragfähigkeit. Seine Festig- keit gegenüber Druck- und Zugspannun- gen ist deutlich höher und ermöglicht große Spannweiten, schwebende Kon- struktionen und ganz andere Belas- tungsprofile als mit Beton.
Auch in der praktischen Anwendung ver- schiebt Stahl die Grenzen. Ein schönes Beispiel hierfür gibt der Burj Khalifa in
„Wegen meiner Wellblech-
und Maschendraht-Sachen
sahen mich die Leute an,
als käme ich vom Mars.“
Frank Gehry, Architekt
 Spektakuläre Architektur von Frank Gehry: das auf einer Meerenge errichtete Biomuseo in Panama-Stadt
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Foto: adobestock©Jair



















































































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