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Page 7 - Stil 01 2018
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Da die Industrialisierung in England begann, besaß das Königreich einen technologischen Vorsprung gegenüber anderen Nationen. Engli- sche Waren waren entsprechend hochwertig – im Gegensatz zu den Produkten, die vom Kontinent und seit dem Mitte des 19. Jahrhunderts auch aus Deutschland in die Märkte des Empire drängten.
Deutsche Industrieprodukte galten als minder- wertig – und waren es auch. Von der Weltausstel- lung 1876 in Philadelphia berichtete der deutsche Maschinenbauprofessor Franz Reuleaux, Direktor des Berliner Gewerbeinstituts und Jury-Mitglied der Ausstellung, die deutschen Industrieprodukte seien „billig und schlecht“. Sein vernichtendes Ur- teil ergänzte er um einen Appell an die deutschen Fabrikanten: „Den Weltmarkt erobert ihr nicht mit solchen Billigprodukten, sondern mit Qualität!“
In den 70er- und 80er-Jahren des 19. Jahrhun- derts glich der Ruf deutscher Produkte dem der Billigware aus China in unseren Tagen: Es waren unverfrorene Imitate britischer oder amerikani- scher Produkte von zweifelha er Qualität.
Deutsche Fälschungen englischer Stahlprodukte zwangen die britische Regierung schließlich zum Handeln: In der Stahlwarenhochburg She eld erregten Messer, Scheren, Feilen und Klingen aus dem Deutschen Reich die Gemüter der heimi- schen Fabrikanten. Sie waren statt aus Stahl aus Eisen gefertigt und – schlimmer noch – erweckten durch Aufdrucke wie „She eld made“ den Schein, aus englischen Schmieden zu stammen.
Als Gegenmaßnahme reformierte das britische Parlament 1887 den „Merchandise Marks Act“: Um heimische Käufer zu warnen, zwang der Erlass die Importeure, die minderwertige Nachahmer-
ware aus dem Ausland zu brandmarken. Fortan trugen Importe aus Deutschland den Warnhinweis „Made in Germany“.
Die Ironie, dass diese ursprünglich abwertende Kennzeichnung schon bald zu einem Qualitäts- ausweis wurde, ist allgemein bekannt. Die deutschen Fabrikanten hatten sich Reuleaux’ Appell zu Herzen genommen und zum Beispiel Forschungsabteilungen eingerichtet, die wissen- scha liche Erkenntnisse in die Produktplanung und Produktion ein ießen ließen. Sie entwickelten Standards für die Ausbildung, investierten in neue Maschinen und warben den britischen Konkur- renten Experten ab. Schon Ende des Jahrhunderts gri en englische Verbraucher ganz gezielt nach Messern, Werkzeugen oder Nähmaschinen „Made in Germany“, weil sie bei Waren mit diesem Siegel auf eine hohe Qualität vertrauen dur en.
Womöglich wären deutsche Exporte schon
im frühen 20. Jahrhundert zu Weltmeisterehren gelangt, hätten nicht die beiden Weltkriege die Entwicklung gestoppt. Insbesondere während des Zweiten Weltkrieges wurden im Zuge der Pro- duktion kriegswichtiger Güter wissenscha liche Erkenntnisse zur Qualitätssteuerung vermehrt berücksichtigt – denn längst hatten sich auch andere kluge Geister als Aristoteles über die Be- scha enheit der Dinge den Kopf zerbrochen und beispielsweise statistische Methoden zur Qualitäts- steuerung entwickelt.
Vor allem amerikanische Unternehmen erkann-
ten schon früh, dass es billiger war, im Her- stellungsprozess
Weltausstellung 1876 in Philadelphia: Britische und US-amerikanische Fabrikanten stellten hier die überragende Qualität ihrer Industrieprodukte zur Schau
Der Berliner Maschinen- bauprofessor Franz Reuleaux verurteilte die in Philadelphia präsentier- ten deutschen Produkte als „billig und schlecht“
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