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Page 8 - Stil 01 2018
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von Anfang an höhere Qualitätsanforderungen an Material und Fertigung zu stellen, als nach der Produktion fehlerha e Waren auszusortieren und zu reparieren.
In der Kriegsproduktion des Zweiten Weltkrie- ges konnte ein Materialfehler den Unterschied zwi- schen Leben und Tod ausmachen. Folglich setzten die US-Streitkrä e moderne Verfahren zur Quali- tätssicherung um, wie die Kontrolle der Zulieferer und die statistische Prozesskontrolle. Hierbei wurden sämtliche Produktionsprozesse kontinu- ierlich überwacht und alle für die Produktqualität relevanten Kennzahlen erfasst sowie ausgewertet. Heute sind diese Methoden fester Bestandteil eines modernen Qualitätsmanagements.
Nach dem Krieg nahm die Konzentration auf hohe Qualitätsstandards zunächst wieder ab.
Der allgemeine Mangel und die hohe Nachfrage schufen einen „Herstellermarkt“ mit schwachem Wettbewerb und entsprechend geringer Bedeutung der Qualität für den wirtscha lichen Erfolg. Die Produkte verkau en sich, auch wenn sie eventuelle Mängel aufwiesen.
Nur in Japan verlief die Entwicklung etwas anders. Das Land setzte beim Wiederau au seiner Wirtscha  nach dem Krieg konsequent auf ein Qualitätsstreben. Die „Japanese Union of Scientists and Engineers“ lud amerikanische Wissenscha ler zu Vorträgen ins Land, aus deren Lehren sie ihre Managementphilosophie entwickelten.
Zur Systematik der Wissenscha ler gehörte etwa die De nition des Qualitäts-Regelkreises: Abwei- chungen von der Norm werden zuerst analysiert, dann werden ihre Ursachen aufgespürt und besei- tigt. Andere Beispiele sind erstens die Prinzipien der Qualitätsplanung, welche Qualitätsziele und entsprechende Produktionsprozesse sowie Qua- litätskontrollen de niert, zweitens die Festlegung der Regeln für die Qualitätsbewertung samt Ab- leitung nötiger Maßnahmen und drittens das Ziel einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung.
Von US-Wissenscha lern Qualität lernen – das Phänomen Japan
Die japanischen Manager nahmen diese Lehren nicht nur auf, sondern entwickelten sie noch weiter. Sie schär en das Bewusstsein für die Kundenorien- tierung in ihren Betrieben, indem sie unter ihren Mitarbeitern Lieferanten-Kunden-Verhältnisse schufen. Jeder, der von der japanischen Mentalität eine Vorstellung hat, kann sich ausmalen, was für einen Gesichtsverlust es für einen Mitarbeiter bedeutete, wenn er in der Produktionskette seinem Kollegen ein Werkstück lieferte, das nicht die Erwartungen erfüllte. Auch wurden alle Mitarbeiter in die Prozesse der Qualitätskontrollen einbezogen – jeder fühlte sich so für die Qualität des Endpro- duktes mitverantwortlich.
Bald waren die besten Geräte in der Unter- haltungselektronik, die besten Kameras und die besten Motorräder „Made in Japan“ – und ab den 70er-Jahren rollten auch japanische Autos, die ge-
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MADE IN
wiss nicht zu den schlechtesten gehörten, auf allen Straßen der Welt. Die Fokussierung auf die Quali- tät war der Schlüssel für den wirtscha lichen Auf- schwung und Erfolg Japans in der zweiten Häl e des 20. Jahrhunderts. Denn der „Herstellermarkt“ hatte sich durch die wachsende Zahl an Anbietern und der gestiegenen Produktion zu einem „Kun- denmarkt“ gewandelt, auf dem die Verbraucher auswählen konnten und die Qualität einer Ware zu einem wichtigen Verkaufskriterium wurde.
Von wegen „Best of “ – das falsche Verständnis des Qualitätsbegri s
Europa dagegen blieb in den ersten Nachkriegs- jahrzehnten ein Spätzünder und entdeckte erst später die Grundlagen des modernen Qualitäts- managements. Die Entwicklung wurde gefördert durch die Gründung von Institutionen, so 1956 der „European Organization for Quality Control“ (EOQC) und der „European Organization for Quality“ (EOQ), die heute das größte Qualitäts- management-Netzwerk Europas ist und in der Deutschland durch die „Deutsche Gesellscha  für Qualität“ (DGQ) vertreten wird.
Zu den Institutionen gesellten sich die Normen. Das altbekannte, 1917 gegründete „Deutsche In- stitut für Normen“ (DIN) und die „Internationale Organisation für Normung“ (ISO) entwickelten Normen für das Qualitätsmanagement wie DIN 55350 und ISO 9000 . Das bedeutet aber auch: Die Erfüllung der ISO-Normen nach ISO steht nicht primär für Produktqualität, sondern für ein standardgemäßes Qualitätsmanagement im Her- stellungsprozess.
Ein anderer häu ger Irrtum ist o  beim Ver- ständnis des Begri es zu  nden. So bedeutet Qua- lität nicht das Bestreben nach Perfektion, sondern die Garantie, dass eine Ware alle Anforderungen des Kunden an ihre Bescha enheit erfüllt. Die Qualität ist somit auch eine Frage der Quantität, denn sie wird durch die Zahl der Eigenscha en einer Ware de niert, die es bei der Produktion
zu berücksichtigen gilt. Folglich ist Qualität also immer relativ und eher ein Maß für die Kundenzu- friedenheit als ein Synonym für das Bestmögliche.
So leben wir heute in einer Welt der DIN und ISO, der Garantie- und Gewährleistungsansprüche und des permanenten Misstrauens in die Beschaf- fenheit unserer Produkte – und das ist auch gut so. Denn Qualität garantiert letztlich Sicherheit, wie die Produktion der Präzisrohre für die Automobil- branche zeigt (s. Seite 14). Qualitätsmanagement ist in allen Branchen eine unverzichtbare betriebs- wirtscha liche Disziplin geworden. Kein Produkt und noch nicht einmal ein Vorprodukt, wie die Bramme aus dem Hüttenwerk, das Grobblech
aus dem Walzwerk oder die Luppe für die Rohr- produktion, rollt heute ohne automatisierte und kontinuierliche Qualitätskontrollen vom Hof. In der Produktwelt ist die Bescha enheit zu einem wesentlichen Merkmal jeder Sache geworden – ganz im Sinne von Aristoteles.
JAPAN
Foto: Shutterstock:©Sashatigar, ©Motorama


































































































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