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Page 13 - STIL 04 2018
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Ein Rad bleibt ein Rad, das kann man nicht neu erfinden. Dies denken wir,
die Besucher aus Salzgitter, zu Beginn unseres Rundgangs durch die Hallen der
Maxion Wheels Werke GmbH in Königswinter – und werden schnell eines Besseren belehrt. Der Fertigungsprozess erweist sich als komplex und ausgeklügelt. Die Bleche der Salzgitter AG werden geschnitten, kalt verformt, geschweißt und la- ckiert – bis sie als Rad ans Auto geschraubt werden können. Dabei, so erfahren wir im Experten- gespräch, gibt es durchaus Spielraum für Innova- tionen – insbesondere bei den Themen Gewichts- reduktion, Aerodynamik und Design.
Königswinter ist eine Stadt mit 41.000 Einwoh- nern und 76 km2 Fläche südöstlich von Bonn. Die Maxion Wheels Werke liegen im Ortsteil Nieder- dollendorf, der sich dicht an den Rhein schmiegt. Hier ist die Hauptstraße eine Einbahnstraße und die kürzeste Verbindung zur anderen Rheinseite eine Fähre. Von einem nahen Gipfel des Sieben- gebirges grüßt das ehemalige Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland, der Petersberg, und auch das Schloss Drachenburg und die Burgruine Drachenfels blicken hier ins Tal.
In dieser Idylle gründeten 1919 Johann, Franz und Simon Lemmerz eine Fabrik für Autoräder. Damals, als die Automobile meist noch auf Holzspeichenrädern über die Straßen holperten, erfanden die Brüder das Rad in der Tat neu: Sie entwickelten die mehrteilige Felge, die bis heute gebräuchlich ist. Das neuartige Scheibenrad aus Stahl verhalf dem Opel 4 PS, den der Volksmund wegen seiner grünen Lackierung „Laubfrosch“ nannte, zu seinem Erfolg als erstes deutsches Auto für den „kleinen Mann“. Denn auch dank des
neuen Rades eignete sich der Opel für die Massen- fertigung: Als erster deutscher Fließband-Pkw – übrigens ein unverfrorenes Plagiat des Citroën 5CV – wurde er von 1924 bis 1931 fast 120.000- mal produziert und machte das Lemmerzwerk zum drittgrößten deutschen Radhersteller seiner Zeit. Im Jahr 1997 fusionierte das in „Lemmerz- Werk GmbH“ umfirmierte Unternehmen zu „Hayes Lemmerz International Inc.“. Seit der Übernahme 2012 durch die brasilianische Hol- ding Iochpe Maxion prangt der neue Firmenname „Maxion Wheels“ an den Werkshallen. Mit einer Jahresproduktion von mehr als 58 Mio. Stück (2017) ist das Unternehmen heute der weltweit größte Hersteller von Rädern für Personenkraft- wagen, Lastkraftwagen, Busse, Gabelstapler, Agrar- und Geländefahrzeuge.
Warum eine Felge keine Felge ist
Sehr schnell lernen wir unsere nächste Lektion:
In Königswinter werden keine „Felgen“ produziert, sondern „Räder“, wie uns die Maxion-Experten erklären. Im Fachjargon heißt nur der äußere Ring, der den Reifen trägt, „Felge“. Den inneren Teil, an dem das Rad später an die Achsnabe geschraubt wird, nennt man Radschüssel bzw. Radscheibe.
Bei einem Stahlrad werden Felge und Schüssel zunächst unabhängig voneinander produziert und später miteinander verschweißt. Aluminiumräder dagegen sind fast immer im Ganzen gegossen oder geschmiedet.
Ein Stahlrad wird im Kaltformverfahren aus warmgewalztem Stahl mit hoher Streckgrenze
(> 600 MPa) gefertigt. Für das Werk in Königswin- ter ist Salzgitter Flachstahl einer der Lieferanten.
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