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Page 12 - STIL 4 2019
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60 Jahre Crashtest in Deutschland
Vor 60 Jahren begann eine neue Ära bei der damaligen Daimler-Benz AG. Der Mercedes 220 W111, gemeinhin als „Große Heckflosse“ bekannt, war im August 1959 das erste Modell des Herstellers, dessen Karosse- rie nach dem „Knautschzonen-Patent“ aus dem Jahr 1952 entwickelt wurde. Einen Monat nach Produktionsbeginn, am 10. September 1959, führte Daimler-Benz mit diesem Fahrzeug auch seinen ersten Crashtest durch – der Versuchswa- gen wurde frontal gegen ein Hindernis gesteuert.
Die Sekunde nach dem Knall: Crashtest bei Daimler in Sindelfingen
Crashtests gehörten fortan zum festen Bestandteil jeder Fahrzeugentwicklung der Marke.
So wurden in den vergangenen 60 Jahren rund 14.000 Mercedes-Benz zu Testzwecken geschrot- tet. Heute führt das Technologiezentrum Fahr- zeugsicherheit (TFS) in Sindelfingen pro Jahr etwa 900 Crashtests durch. Die Anlage gilt als eine der modernsten der Welt, wurde in drei Jahren
u. a. mit 7.000 t Stahl erbaut und 2016 in Dienst gestellt. Sie bietet mit 243 x 172 x 23 m eine riesige Versuchsfläche – die längste Anlaufbahn misst
 Aufprallversuche im Werk Sindelfingen der Daimler- Benz AG im Jahr 1962: Aufprall eines „Heckflos- sen-Mercedes“ 220 Sb mit einer Geschwindigkeit von 86 km/h auf einen Omnibus
Es war der erste Crashtest in Deutschland – aber nicht der erste der Welt, wie oft zu lesen ist. Der französische Hersteller Renault etwa ließ schon 1955 im Dienst der Unfallforschung einen Renault Dauphine frontal auf eine Stahlplatte prallen, die an einem Lastwagen montiert war. Und auch Ford betrieb in Dearborn, Michigan, ein Unfallver- suchsgelände, das Vertreter von Daimler-Benz vor ihren Tests begutachtet hatten. Dennoch gilt der Aufprall vom September 1959 für den Hersteller als eine Art Urknall der Sicherheitsforschung –
mehr als 200 m.
Neben den Crashtests führt Mercedes-Benz
in Sindelfingen auch jährlich rund 1.700 soge- nannte Schlittenversuche durch. Hierbei wird eine Rohkarosse oder ein Prüfgestell auf einen Schlit- ten montiert und nach festgelegten Parametern gezielt beschleunigt und verzögert, aber nicht zerstört. Dabei werden die Belastungen gemessen, denen Karosse und Insassen bei einem Unfall ausgesetzt sind.
Für die Typengenehmigung eines neuen Fahrzeugs sind Crashtests praktisch unumgäng- lich. Allerdings hat jedes Land seine eigenen Vorschriften für die Versuche erstellt, sodass am Anfang jeder internationalen Markteinführung unzählige Blechschäden stehen. Daimler rechnet als globaler Hersteller mit rund 40 unterschied- lichen Testkonfigurationen („Lastfällen“), stellt allerdings bei der Fahrzeugentwicklung an sich selbst höhere Anforderungen als die vorgeschrie- benen. So bleiben bei jeder Neuentwicklung eines Modells neben den 15.000 Crashtest-Simulationen rund 150 Crashtests notwendig. Markus Schäfer, Mitglied des Vorstands der Daimler AG, verant- wortlich für Konzernforschung & Mercedes-Benz Cars Entwicklung, sagt: „Auch im Zeitalter der Computersimulation bleiben die realen Crashtests unverzichtbar.“
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 Fotos: © Daimler AG





















































































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