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Page 25 - STIL 3 2021
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  Das „alte Blech“, dem sich Dr. Stefan Mütze mit Leidenschaft widmet, parkt für jedermann sichtbar neben dem Eingang
zum Werkstoffzentrum der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH (SZMF) auf dem Hüttengelände: ein Kleinkraft- rad Simson KR 51/2, besser bekannt als „Schwalbe“; 50 ccm Hubraum, 3,4 PS und an guten Tagen sowie mit ein bisschen Rückenwind 60 km/h schnell. Kirsch- rote Werkslackierung, chromglänzende Speichenräder und auf dem Gepäckträger eine Ledertasche aus Dr. Mützes Kinder- tagen mit Ersatzteilen und Werkzeug – nur für den Fall, dass mal ...
Das „neue Blech“, dessen sich der Spe- zialist für Anwendungs- und Umform- technik mit gleichem Einsatz annimmt, präsentiert sich weit weniger sichtbar – und ist doch allgegenwärtig: Es steckt z. B. in vielen Autos auf unseren Straßen; produ- ziert von der Salzgitter Flachstahl GmbH (SZFG), verbaut von vielen Herstellern und in seinen Eigenschaften geprüft, ver- messen sowie vollumfänglich erfasst von Dr. Mütze und seinen Kollegen.
Seit 2006 ist der gebürtige Hoyerswer- daer in der Abteilung Umformtechnik der SZMF-Hauptabteilung Anwendungstech- nik tätig. Zuvor studierte er an der TU Bergakademie Freiberg in Sachsen und promovierte in Hannover, wo er noch während seiner Doktorarbeit zum Thema „Gleitziehbiegen von Profilen aus Fein- blech“ Kontakte nach Salzgitter knüpfte. „Das war für mich ein großes Glück, dass ich das, was ich vorher an der Uni mach- te, mit den gleichen Partnern in Salzgitter weiterführen durfte“, sagt Dr. Mütze.
Feinbleche zu ziehen, zu pressen, auf viele andere Arten umzuformen sowie mit Kunden die Ergebnisse zu besprechen sind seine wichtigsten Tätigkeiten bei der SZMF. Ob neue Stahlgüten entwickelt oder Informationen für bestehendes Material benötigt werden, das Team
der SZMF-Umformtechnik erzeugt alle Kennwerte für die Kunden. „Sie benö- tigen heute viel mehr Informationen als früher, um sich mit unserem Material in der numerischen Simulation auseinan- derzusetzen“, sagt Dr. Mütze. „Sie testen virtuell am Computer das Verhalten des Werkstoffs, um herauszufinden, wie sie ihn einsetzen können. Diese Daten erzeu- gen wir, indem wir neue Versuche und Methoden entwickeln, oft zusammen mit dem Kunden.“
Dr. Mütze und die Ingenieurin Fabienne Weber prüfen an der Testpresse ein Umformungswerkzeug
PERSONAL
  Pressen bis zum Riss: Dr. Mütze und Proben unterschiedlicher Dehnungszustände eines Werkstücks
Diesen persönlichen Kontakt zum Kunden erachtet der Umformexperte als essenziellen Teil seiner Tätigkeit: „Ob- wohl wir in der Forschung tätig sind,
sind wir doch eine Art Kundenberater.“ So betreut er z. B. gemeinsam mit Rainer Diesner von der technischen Kunden- betreuung der Salzgitter Flachstahl den Kunden Ford an mehreren Standorten in Europa. Regelmäßig fährt er allein oder mit SZFG-Kollegen in die Werke der Kunden, um zu schauen, wie ein neuer oder modifizierter Stahlwerkstoff sich in dessen Anlagen verarbeiten lässt. Bei Pro- blemen wird untersucht, ob die Ursachen vom Material oder vom Verarbeitungs- prozess herrühren könnten.
Abstand von solchen Arbeitstagen findet der Schwalbe-Liebhaber oft wäh- rend der Heimfahrt ins 40 Kilometer
entfernte Peine. Auf dem Kraftrad kann er dann den „Arbeitstag weglüften“, wie er sagt. Seine Simson aus dem Baujahr 1985 lenkt und pflegt er seit Jugend- und Studentenzeiten. „In der DDR war sie
ein großes Ding. Jeder, der eine besaß, hat irgendwas drangeschraubt und sie zum Tourer, Chopper oder zur Enduro umgebaut.“ Und weil eine Schwalbe noch keinen Sammler macht, besitzt Dr. Mütze mehrere Simson-Zweiräder, darunter
als Prunkstück eine AWO 425 aus den 50er-Jahren – ein Motorrad mit 250 ccm Hubraum, für dessen Blech sein Herz noch ein wenig höher schlägt. Ebenfalls natürlich im allerbesten Erhaltungszu- stand – so wie die Schwalbe, bei deren Anblick man kaum glauben mag, dass er seine lederne Arbeitstasche unterwegs je einmal wird öffnen müssen.
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Fotos: Carsten Brand


















































































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