Page 13 - STIL 4 2024
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Die Art dieser Präparation hängt vom Untersu- chungsverfahren ab. Dr. Markus Krieger, Abteilungs- leiter Werkstoffcharakterisierung bei der SZMF in Salzgitter, nennt ein Beispiel: „Beim metallographi- schen Standardverfahren mittels Lichtmikroskop muss die Probenoberfläche so präpariert sein, dass sie das Licht reflektiert bzw. streut.“ Dafür müssen die ins Kunstharz eingebetteten Schnittkanten ge- schliffen und poliert werden. „Hierbei ist die Lage des Schliffes von entscheidender Bedeutung, ob längs zur Walzrichtung, quer zu einer Schweißnaht oder einem Bauteilfehler oder als Anschliff der Oberfläche“, erklärt Dr. Krieger.
Die Metallographen oder speziell dafür ausgebildete Werkstoffprüfer nutzen hierfür immer feiner wer- dende Schleifpapiere mit maximal 2.400er Körnung und zum Polieren eine Diamantsuspension – oder sie überlassen diese Arbeit dem Präparations- automaten, den auch Timo Barthelmes mit seinen Proben bestückt.
Schon die erste Untersuchung der so polierten Oberfläche verrät viel über den Charakter eines Stahls. Der Metallograph identifiziert zum Beispiel nichtmetallische Einschlüsse von wenigen Mikro-
metern Größe: sauerstoff- und schwefelhaltige Re- aktionsprodukte, Oxide und Sulfide, aus der Stahl- herstellung. Ihre Art, Menge, Größe und Verteilung im Stahl hat beispielsweise Einfluss auf die Wider- standskraft des Materials unter Belastung – und so letztlich auf die Lebensdauer eines Bauteils.
Nach dem Polieren wird die Probe geätzt. Nur so werden die wichtigen Komponenten des Stahls sichtbar: die Gefügephasen (siehe vorherige Seiten). Das Ätzmittel, etwa mit Alkohol verdünnte Salpeter- säure, greift die Phasen und Körner des Materials verschieden stark an. So kann man sie erkennen, da sie im Lichtmikroskop in verschiedenen Farbtönen bzw. Schattierungen erscheinen.
Aus der nun sichtbaren Mikrostruktur lesen die Me- tallographen nicht nur die chemische Zusammen- setzung bzw. Legierung des Stahls, sie ziehen auch Erkenntnisse aus der Streckung des Gefüges und Veränderungen der Kristallstruktur, die aus der Um- formung oder einer Wärmebehandlung resultieren. Zudem sehen sie Risse und Einschlüsse oder auch ganz feine, festigkeitssteigernde Ausscheidungen. Am Ende dieser Untersuchungen steht das Wissen über die Eigenschaften des Stahls wie etwa seine Reinheit, Festigkeit und sein Umformvermögen.
Daneben nutzt die SZMF an den beiden Standorten, an denen sie akkreditierte Labore betreibt, noch eine andere Standardtechnik: Rasterelektronen- mikroskope, von denen SZMF in Salzgitter zwei und in Duisburg eines in Betrieb hat. Dr. Marco Witte, Fachexperte für physikalische Metallkunde der SZMF in Salzgitter, zeigt verschiedene Aufnahmen, die im Mikroskop aus der Wechselwirkung des Elek- tronenstrahls mit der Probenoberfläche entstanden sind. Sie sind zwar „nur“ schwarz-weiß, bilden im Gegensatz zu den bunten Bildern der Lichtmikro- skope aber die Topographie der Probenoberfläche sehr gut ab.
Zu sehen sind auf Dr. Wittes Bildschirmen Berge, Täler und seltsam wuchernde Gebilde, die aus einer Unterwasserwelt oder von einem fremden Planeten stammen könnten und mit der Vorstellung einer
„Stahl bleibt der wichtigste Konstruktionswerkstoff. Wir können ihn beliebig einstellen und so allen Anforderungen anpassen. Das ist kein Produkt des Zufalls, sondern der Arbeit unserer Experten.“
Dr. Benedikt Ritterbach, Geschäftsführer Salzgitter Mannesmann Forschung
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Fotos: Carsten Brand























































































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