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„WIR SICHERN INNOVATIONEN“
Interview mit Dr. Benedikt Ritterbach, Geschäftsführer SZMF
Herr Dr. Ritterbach, wie würden Sie die Aufgaben der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH innerhalb des Kon- zerns beschreiben?
Die SZMF ist die zentrale Forschungs- einheit der Salzgitter AG rund um den Werkstoff Stahl und insbesondere für die Geschäftsbereiche Stahlherstellung und Stahlverarbeitung. Unsere Kernauf- gabe ist die Sicherstellung der Innova- tionsfähigkeit und Innovationsleistung. Am Standort Salzgitter entwickeln wir vorrangig Flachstahl, in Duisburg sind wir für die Grobblech- und Rohrwerke sowie als Forschungsdienstleister auch für externe Kunden aktiv.
Welcher Art sind diese Innovationen?
Oft sind es Weiterentwicklungen be- stehender Stahlsorten, manchmal aber auch neue Stähle. Ein Beispiel hierfür sind unsere ULB-Grobblechstähle, die gut umformbar und zugleich sehr fest sind. Funfact: Sie kommen mit wenigen Legierungselementen aus und sind einfach herzustellen. Das ist die Quadra- tur des Kreises. Einsatzmöglichkeiten sehen wir unter anderem im Schutz- und Sicherheitsbereich und für ver- schleißfeste Anwendungen.
Was bedeutet „ULB“?
Ultrafeinlamellarer Bainit. Der Name leitet sich aus der Mikrostruktur dieser Stähle ab, einem sogenannten Bainit- Gefüge. Das bildet sich durch eine Wärmebehandlung und weist beim ULB ultrafeine Lamellen auf [s. S. 11], die zu erstklassigen Eigenschaften führen.
Solche Strukturen verändern den Charakter des Stahls?
Ja. Die Bestandteile des Gefüges sind für die Stahleigenschaften sehr wichtig. Sie können im Zusammenspiel der Legierungselemente mit der Umfor- mung und der Wärmebehandlung exakt eingestellt werden. Unsere Experten kennen diese Einflussfaktoren genau und können so anwendungsgerechte Stähle entwickeln.
Sind die Eigenschaften eines Stahls unter dem Mikroskop sichtbar?
Unter dem Lichtmikroskop können wir die Bestandteile des Stahlgefüges mit tausendfacher Vergrößerung sehr gut sichtbar machen. Im Rasterelektronen- mikroskop sogar mit millionenfacher
Vergrößerung. Hier können wir auch die chemische Zusammensetzung messen, um viele Eigenschaften des Stahls abzu- schätzen. Für Untersuchungen bis auf atomare Ebene wenden wir uns bei Be- darf an Universitäten und Max-Planck- Institute. Die verfügen über Transmissi- onselektronenmikroskope, Atomsonden und andere sehr spezielle Geräte.
Wie entwickeln Sie einen neuen Stahl?
Wir ermitteln den Kundenbedarf und die dafür erforderlichen Eigenschaften des
Mit welchen Partnern kooperieren Sie?
Unser Netzwerk ist international. Hier unterscheiden wir zwischen Grundlagen- forschung, Methodenentwicklung und anwendungsnaher Forschung. Für Grundlagenforschung nutzen wir welt- weit Universitäten und Max-Planck-In- stitute. Computer-Simulation entwickeln wir beispielsweise zusammen mit der TU Wien oder dem ICAMS1 in Bochum. Mit Fraunhofer-Instituten und industri- ellen Partnern betreiben wir anwen- dungsnahe Forschung. Wir engagieren
 Stahls. Unsere Experten überlegen dann, wie Legierungselemente, Umfor- mung und/oder Wärmebehandlung aufeinander abzustimmen sind. Dafür verwenden sie computergestützte Simulationsmodelle und Werkstoffda- tenbanken. Es folgen zahlreiche Labor- experimente und Versuche im Produk- tionsbetrieb. Die meisten Prozesse der Stahlherstellung und die wichtigsten Weiterverarbeitungsprozesse beim Kunden bilden wir im Labormaßstab ab.
Kann die Computer-Simulation eines Gefüges die Metallographie ersetzen? Nein, beides steht nicht in Konkurrenz zueinander, es ergänzt sich gegenseitig. Früher haben wir viele Laborschmelzen untersucht. Heute finden wir die poten- ziell besten Optionen in der Simulation und starten dann gezielte Experimente. Das ist schneller, wirtschaftlicher und führt zu besseren Ergebnissen.
uns auch in vielen Gremien für Normung und vorwettbewerbliche Forschung.
Ein so ausgefeiltes, qualitativ hochwer- tiges Forschungsnetzwerk wie hier in Deutschland sucht weltweit seinesglei- chen. Das gilt es unbedingt zu erhalten!
Was leistet die SZMF noch außer For- schung und Entwicklung?
Wir sind in die Weiterentwicklung der Fertigungsprozesse eingebunden und leisten Technologie-Scouting. Hin und wieder unterstützen wir den Stahlhandel mit anwendungstechnischer Beratung. Sehr stark unterstützen wir die Produk- tionsbetriebe der Konzernschwestern, um bei Qualitätsproblemen und Störun- gen schnell Lösungen zu finden. Bei Bedarf schicken wir Fachleute mit mobilen Messgeräten in die Betriebe.
1 „Interdisciplinary Centre for Advanced Materi- als Simulation“ der Ruhr-Universität Bochum
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