Page 21 - STIL 4 2024
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Seit dem Jahr 2008 arbeitet Burkhard Becker im Salzgitter-Konzern, zunächst bei der Klöckner-Wer- ke AG und der KHS, zuständig für Finanzen, und dann ab 2011 als Finanzvorstand der Salzgitter AG. Jetzt geht er am 31. März 2024 in den Ruhestand. Seine Nachfolgerin ist Birgit Potrafki, die aus dem Bosch-Konzern nach Salzgitter gewechselt ist.
Wir sprachen mit Burkhard Becker über Höhepunk- te des Berufslebens und weitere Ziele.
Herr Becker, können Sie uns ein paar Highlights nennen?
Ich möchte eigentlich keine einzelnen Ereignisse herausheben, denn damit ergäbe sich eine für mich unzulässige Qualifizierung. In einer Gesamtschau ist es für mich am wichtigsten, dass der Salzgitter- Konzern rund 26 Jahre nach dem Börsengang sehr solide dasteht, als bilanziell und strukturell gesun- der Konzern, der in Eigenständigkeit handelt.
Sie haben in Ihrer Funktion als Finanzvorstand ein sehr breites Erfahrungswissen über
den Salzgitter-Konzern erworben. Was sind Ihre wesentlichen Eindrücke?
Die Unterschiedlichkeit der Produkte und der Kun- den mit ihren Märkten bestimmt wesentlich die Ausrichtung der einzelnen Unternehmen, dazu kommen Tradition und kulturelle Prägung. So haben die KHS und zum Teil der Handel ein sehr internatio- nal ausgerichtetes Geschäft, der Stahlbereich ist eher auf Deutschland und Europa fokussiert. Diese Unterschiedlichkeit der Geschäftsmodelle hat ganz konkrete Auswirkung auf die strategische Steue- rung der Einheiten, zum Beispiel bei wesentlichen Investitionsschritten – und sie hat mich immer wie- der fasziniert. Gerade in Hinblick auf den strategi- schen Wertbeitrag hat sich die Rolle des CFO in den letzten Jahren verändert und wurde angereichert. Wenn ich ein Fazit ziehen kann, dann dies: Ich bin unbedingt von der Stärke der Salzgitter AG über- zeugt – in Eigenständigkeit mit einem diversifizier- ten Portfolio, gemeinsam mit den Menschen und der Mitbestimmung. Wichtig bleibt es dabei, das finanzielle Gleichgewicht im Blick zu behalten.
Mit SALCOS® – Salzgitter Low CO2 Steelmaking befinden wir uns mitten in der Transformation hin zu CO2-armen Produktionsprozessen.
Die Transformation ist eine gesellschaftlich formu- lierte Aufgabe, die sich aus dem hohen CO2-Aus- stoß bei der konventionellen Stahlherstellung ergibt und deshalb notwendig ist. Der Salzgitter-Konzern hat sich rechtzeitig ab 2015 auf den Weg begeben und sich für die direkte Vermeidung dieser Emissio- nen entschieden. Auch aufgrund dieses kon- sequenten Vorgehens haben wir als erstes Unter- nehmen eine öffentliche Förderzusage von knapp
einer Milliarde Euro vom Bund und dem Land Nie- dersachsen erhalten. Wir selbst investieren für die- se erste Stufe zwischen 1,2 und 1,4 Milliarden Euro. Es ist damit die größte Einzelinvestition des Kon- zerns in seiner Geschichte. Inzwischen befinden wir uns mittendrin in der ersten Realisierungsphase und den „Mühen der Ebene“ – die Bagger rollen auf dem Hüttengelände und die Transformation wird immer sichtbarer.
SALCOS® ist damit auch finanziell eine große Herausforderung. Wie ist das zu stemmen?
Die Salzgitter AG kann die Transformation aus einer Position der Stärke angehen. Wir sind ein bilanziell gesunder Konzern, der einen großen Teil der Inves- titionen selbst erwirtschaften wird. Die öffentliche Förderung begreifen wir als Investition in den Stand- ort Deutschland, um hier die heimische industrielle Basis abzusichern. Gerade die Stahlindustrie ist der Ausgangspunkt von zahlreichen Wertschöpfungs- ketten. Von daher ist es sinnvoll, dieser Industrie die nötigen Rahmenbedingungen zu geben, damit die Transformation gelingen kann.
„Für mich ist am wichtigsten, dass die Salzgitter AG heute sehr solide dasteht, als bilanziell und strukturell gesunder Konzern, der in Eigenständigkeit handelt.“
Welche sind das?
Damit klimaneutraler Stahl erfolgreich sein kann, brauchen wir gleiche Wettbewerbsbedingungen. Grauer Stahl wird perspektivisch durch die CO2-Be- preisung teurer, dennoch könnte günstigerer Stahl aus dem Ausland nach Deutschland kommen. Hier braucht es neue Instrumente, um den Import von ausländischem Stahl besser zu regulieren. Dies ist zum Beispiel das angestrebte Abkommen der EU mit den USA zu gemeinsamen Importregeln für Stahl und Aluminium. Auch ein übergangsweise wirksamer Industriestrompreis ist sinnvoll.
Herr Becker, Sie sind frühmorgens immer einer der ersten im Büro und verbringen dort lange Tage, die eng durchgetaktet sind. Wie wird sich das zukünftig gestalten?
Ich freue mich auf die Erfahrung, nicht jeden Tag durchorganisiert zu erleben. Das wird Raum geben für andere Dinge, die bisher häufig zu kurz gekom- men sind, wie die Familie und Hobbys wie das Sam- meln von Kunst. Von daher schaue ich gelassen und etwas neugierig auf die kommende Zeit.
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