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Page 13 - Stil 03 2017
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sich Gehör in gesellscha spolitischen Debatten zu verscha en. Wir haben hier die gleiche Berech- tigung zur Teilhabe, wie beispielsweise Umwelt- verbände. Zum anderen freue ich mich darüber, dass wir von unseren Stakeholdern in unserer Argumentation ernst genommen werden, weil wir inhaltlich wichtige Beiträge liefern und nicht auf abgedroschene Plattitüden setzen.
STIL: EU und Bundesregierung haben sich am- bitionierte Klimaschutzziele gegeben. So sollen in Deutschland bis 2020 die Emissionen von Treib- hausgasen um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 sinken und bis zum Jahr 2050 um 80 bis 95 Prozent. Welche Auswirkungen hat das auf die heimische Stahlindustrie und ihre Wettbewerbsfähigkeit?
Dr. Traupe: Ein nationales Klimaschutzziel, losge- löst vom Rest der Welt, ist letztlich nicht zweck- mäßig. Wir könnten aufgrund der deutschen und europäischen Klima- und Energiepolitik mit ver- gleichsweise strengen Regelungen ins Hintertre en gegenüber Konkurrenten auf den internationalen Märkten geraten.
Die deutsche Stahlindustrie produziert auf weltweit höchstem technischen Niveau. Die CO2-Emissionen sind bis heute so verringert worden, dass sie sehr nahe an der naturwissen- scha lich-verfahrenstechnischen Grenze liegen und praktisch nicht weiter minderbar sind. Das erkennen inzwischen auch große Teile der Politik an. Deshalb droht aus dem Emissionsrechtehan- del – so wie er heute gestrickt ist – de facto nichts anderes als eine weitreichende Produktionsbesteu- erung, deren Zusatzkosten wir nicht weitergeben können. Wir brauchen hier aus meiner Sicht einen neuen Denkansatz, der die notwendigen energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa anders beleuchtet, wenn man einerseits von uns grundlegende verfahrens- technische Umstellungen will und es andererseits wirklich ernst damit meint, Stahlerzeugung hier- zulande zu erhalten.
STIL: Was haben wir hier im Blick?
Dr. Traupe: Anlässlich der diesjährigen Hannover- Messe haben wir u. a. mit unserem Projekt „SALCOS“ (SAlzgitter Low CO2 Steelmaking, Red.) umrissen, wie es gehen könnte. Aber eines ist schon jetzt klar: Wenn sich ein solch bahnbre- chender Ansatz als technisch und im industriellen Maßstab machbar erweisen sollte, wird es notwen- dig sein, heute etablierte und gut funktionierende Produktionsverfahren durch neue zu ersetzen. We- gen des Wettbewerbs im Absatzmarkt kann aber nicht von besseren Erlöschancen für „auf neuen Wegen“ erzeugte Produkte ausgegangen werden. Sollte also ein solcher Umbau in Deutschland oder Europa forciert werden und diese neuen Anlagen sich dann der weltweiten, allerdings mit heutigen Verfahren arbeitenden Konkurrenz stellen, so
wird es einer massiven  nanziellen Unterstützung bedürfen. Am Ende wird es hier also nicht in
erster Linie um die Kosten für Forschung und Entwicklung, sondern vor allem um Umsetzungs- förderung in den industriellen Maßstab sowie für den Betrieb solcher Technologien gehen müssen. Dies umreißt, meine ich, ganz gut die immense Herausforderung.
STIL: Welchen Beitrag leistet unsere Industrie zur Erreichung der Klimaziele?
Dr. Traupe: Denken Sie an Windkra anlagen
an Land und auf See, an automobilen Leichtbau oder die e ziente Energieerzeugung in Kra wer- ken – das alles ist ohne innovative Stahlprodukte nicht möglich. Ich weise bei der Frage gern auf
die Ergebnisse einer Studie der Boston Consulting Group zur CO2-Bilanz von Stahl vor wenigen Jahren hin: Wenn man die CO2-Emissionen in unserer industriell geprägten Volkswirtscha  wirk- lich nachhaltig senken möchte, ist die Erzeugung innovativer Stähle und deren Einsatz in hochmo- dernen Anwendungen eine besonders wichtige Komponente. Die Untersuchung einiger Beispiele hat gezeigt: Das Erreichbare überwiegt die CO2- Emissionen der dafür nötigen Stahlerzeugung selbst etwa um den Faktor 6. Eine leistungsfähige Stahlindustrie mit ihren innovativen Werksto en ist also auch aus klimapolitischer Sicht ein wichti- ges Glied in der Wertschöpfungskette.
STIL: Sehen Sie die Potenziale des Werksto s Stahl in puncto Recycling und Nachhaltigkeit ausrei- chend gut und stark kommuniziert?
Dr. Traupe: Ich glaube noch nicht genug. Wir sen- den zwar zu Stahl inhaltlich die richtigen Botschaf- ten, wollen aber für unseren modernen Werksto  in der Breite noch mehr erreichen. Andere Mate- rialien punkten o  – dem Zeitgeist folgend – mit einfachen und gut verkäu ichen Botscha en, wie beispielsweise dem geringen spezi schen Gewicht allein. Dies ist aber nur eine Facette der notwen- digen ganzheitlichen und dadurch nachhaltigen Betrachtung. Es muss uns gelingen, beispielswei- se im ökologischen Bereich ein verständliches Gesamtbild zu erzeugen, das insbesondere die Recyclingfähigkeit einschließt.
STIL: Haben Sie ein Lieblingsbeispiel für Recycling und Weiterverwendung im Salzgitter- Konzern?
Dr. Traupe: Das allerbeste Beispiel für Nach- haltigkeit ist für mich im Grunde das integrierte Hüttenwerk der Salzgitter Flachstahl GmbH selbst. Aus diversen Rohsto en wie Erz, Kokskohle und Schrott werden in einem nahezu geschlossenen Prozess Stahlprodukte hergestellt. Dabei gehen nur sehr wenige Anteile verloren oder können nicht weiterverwendet werden. Zu sehen, wie fein abgestimmt hier die Räder ineinander greifen,
wie akribisch mit den riesigen Mengenströmen umgegangen wird und auch für die Nebenproduk- te sinnvolle Verwendungsketten aufgestellt worden sind, nötigt mir höchsten Respekt ab. Man kann mit Fug und Recht sagen: Es läu  rund!
„Ohne den Werksto  Stahl können die ambitionierten Klimaziele der EU und der Bundesregierung nicht erreicht werden, weder national noch international.“
„Wir müssen uns um die Zukun  von Stahl und Stahlprodukten im Wettbewerb zu anderen Werksto en nicht sorgen.“
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