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Page 24 - STIL 012 2019
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 PERSONAL
 Einmal quer durch Amerika
Der Hobby-Radsportler Thorsten Ostrowski von Salzgitter Flachstahl fuhr beim „Race Across America“ das Rennen seines Lebens – und half damit MS-kranken Menschen
Werden Profi-Radfahrer nach ihren aufregends- ten Bergetappen gefragt, sprechen sie von Gipfeln
in den Alpen oder Pyrenäen. Thorsten Ostrowski erzählt vom Wolfe Creek in den Rocky Mountains – einem Anstieg auf 3.309 m, der ihn höher führte als jede Bergwertung der Tour de France. Der 38-Jährige ist kein Profi, sondern Elektro- techniker in der Verzinkung der Salzgitter Flachstahl GmbH. Und doch fuhr er mit seinem Team eines der wohl härtesten Radrennen der Welt: das „Race Across America“ (RAAM).
Seit 1982 nehmen Radfahrer und -teams aus aller Welt die Mühen der Tour auf sich. Die Strecke führt über rund 5.000 km und mehr als 50.000 Höhen- meter von der West- zur Ostküste einmal quer durch die USA und zwölf ihrer Bun- desstaaten. An den Start gehen Einzelfah- rer, Zweier-, Vierer- und Achterteams.
Thorsten Ostrowski fuhr zusammen mit Stefan Fäth, Christian Themetzek und Derk Schneider in dem Vierer-
Team „Rad statt Rollstuhl“ alias „Besi & Friends“. Zur Begleitmannschaft gehörten u. a. Navigatoren sowie Fahrer der Mann- schaftswagen und eines Wohnmobils. Eigentlich war Andreas „Besi“ Beseler
als Rennfahrer vorgesehen – die Seele des Teams, der dem Team auch seinen Namen gab. Doch kurz vor dem Rennen
erlitt der an multipler Sklerose erkrankte Teamchef bei einer Trainingsfahrt einen schweren Verkehrsunfall. „Für uns war das ein Riesenschock“, erinnert sich Thorsten Ostrowski. So begleitete „Besi“ die Tour von zu Hause aus.
Schon im Herbst 2016 entschied Thorsten Ostrowski mit dem Team, am RAAM teilzunehmen. Schon als Jugend- licher begeisterte er sich fürs Radfahren, doch erst 2006, nach Beendigung seiner Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker bei Salzgitter Flachstahl, be- gann er, wieder intensiv zu trainieren und ambitionierte Amateurrennen zu fahren.
Zwei Jahre Vorbereitungstraining
Mit dem Training für das RAAM startete er 2017 und saß hierfür bis zu 20 Stunden pro Woche im Sattel – bei schlechtem Wetter oft auch nach Feierabend in sei- nem Haus in Goslar auf der Laufrolle.
Am 16. Juni 2018 fiel für das Team „Rad statt Rollstuhl“ an der Strandpro- menade von Oceanside, Kalifornien, der Startschuss. Allerdings waren die vier Teammitglieder lediglich während der ersten 400 m und erst wieder ganz am Ende gemeinsam auf der Strecke – die restlichen 4.800 km kämpfte immer
nur jeweils ein Fahrer gegen Müdigkeit, Wetter und schwere Beine.
Gleich am ersten Tag wurde Thorsten Ostrowski von einem Sandsturm über-
Meile um Meile im Kampf gegen die Müdigkeit
und das Wetter – gegen Sandstürme, Hitze und am Ende auch noch Regen
rascht, dann lief ihm ein Tier vor das Rad, doch am dritten Tag erlebte er auch einen Höhepunkt – den fantastischen Ausblick, nachdem er den Pass zum Wolfe-Creek- Krater bewältigt hatte. „Es war ein erha- benes Gefühl, das allein die Mühen wert war“, erinnert er sich.
Mussten sie in den ersten Tagen in Kalifornien, Arizona, Utah und Colorado mit einer Hitze von bis zu 50 °C kämpfen und auf den endlosen Geradeausfahrten in Kansas Tornados fürchten, änderte sich das Wetter im letzten Drittel des Rennens dramatisch: Erst hatten sie eine Überschwemmung zu umfahren – Derk Schneider stand bis zur Radnarbe im Wasser – dann schlug ihnen Dauerregen ins Gesicht und durchnässte sie bis auf die Haut. „Zuletzt hatten wir überhaupt keine trockene Kleidung mehr“, berichtet Thorsten Ostrowski.
Nass und erschöpft, jedoch glücklich und auch ein wenig fassungslos rollte Thorsten Ostrowski nach 6 Tagen und
13 Stunden als Letzter seines Teams morgens um 4.30 Uhr über die Ziellinie. Aber war hier wirklich das Ziel? Die Szenerie wirkte völlig unspektakulär: Eine ältere Dame mit Hund war die einzige Zuschauerin, und der Zieleinlauf machte wenig her – wegen Sturmgefahr hatten
die Veranstalter den Zielbogen und das Zielbanner abbauen müssen. „Egal. We did it!“, kommentierte Thorsten Ostrowski
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Fotos: Rad statt Rollstuhl










































































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