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Page 6 - STIL 1 2021
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 Prof. Fuhrmann (2. v. l.) begrüßt im Hüttenwerk: Matthias Wunderling-Weil- bier, niedersächsischer Staatssekretär, Bundes- umweltministerin Svenja Schulze und Ministerpräsi- dent Stephan Weil (v. l.)
schöpfungsketten mit Millionen Arbeitsplätzen
ist. Dem Weltklima – und der sozialen Stabilität hierzulande – wäre überhaupt nicht gedient, wenn Stahl stattdessen unter Inkaufnahme sogar höherer CO2-Emissionen von außerhalb der Europäischen Union käme.
Und zweitens: Die Dekarbonisierung von Energieerzeugung, der gesamten Industrie und der Mobilität ist ein gesellschaftliches Mammutprojekt, das einen zeitlichen wie finanziellen Aufwand er- fordern wird, der über den Umfang der deutschen Wiedervereinigung weit hinausgehen dürfte. Die politischen Entscheider müssen sich sehr klar dar- über sein, dass eine sichere Energieversorgung die Grundlage unseres Lebens und Arbeitens ist: Dies ist kein Einsatzort für den Experimentierkasten!
2020 war deshalb auch in diesem Kontext kein verlorenes Jahr, denn mit der nationalen Wasser- stoffstrategie und dem Handlungskonzept Stahl der Bundesregierung sind die richtigen Themen adressiert und entsprechende Aktionsfelder definiert worden. Jetzt sind konkrete Umset- zungsschritte angesagt: Die richtungsweisenden Entscheidungen über politische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie die finanzielle Flan- kierung müssen zügig gefällt und entsprechende Maßnahmen etabliert werden. Nicht nur die Stahlindustrie braucht aufgrund langer Vorlaufzei- ten für Investitionen Klarheit und Verlässlichkeit. In diesem Zusammenhang gibt es einen Missstand zu beklagen, der im internationalen Vergleich ein ausgesprochener Wettbewerbsnachteil ist: Die Genehmigungsverfahren in Deutschland sind exorbitant umfangreich und zeitaufwändig. Dies gehört vordringlich reformiert, wenn wir mit
der Dekarbonisierung auch im politisch gesetz- ten Zeitrahmen vorankommen wollen. Wir als Salzgitter-Konzern stehen jedenfalls bereit!
STIL: Warum sollte die Politik gerade der Stahl- industrie eine herausgehobene Stellung bei der Dekarbonisierung gewähren?
Prof. Fuhrmann: Entscheidend sind zwei ökonomisch-ökologische Kernkriterien. Erstens belaufen sich die Anlageninvestitionen für eine CO2-neutrale Stahlerzeugung zwar auf einige Milliarden Euro, aber entscheidend ist folgendes
Argument: Wir legen mit SALCOS in Relation
zu der Menge an damit vermeidbarem CO2 das wohl im Sektoren- und Branchenvergleich investiv günstigste Angebot vor.
Zweitens wissen wir: Strom aus erneuerbaren Quellen wird gerade hierzulande auf lange Sicht ein knappes Gut bleiben. Daher ist die Höhe der CO2-Vermeidung pro eingesetzter Megawattstun- de Strom eine zentrale Kenngröße. Hier hat die wasserstoffbasierte Stahlerzeugung à la SALCOS unter Berücksichtigung des Vermeidungspoten- zials im Branchenvergleich klar „die Nase vorn“. Ein weiterer erheblicher Vorteil der Stahlindustrie liegt darin, dass die Investitionen für eine hohe CO2-Vermeidung in integrierten Hüttenwerken auf sehr wenige Standorte konzentriert werden können. Schon dadurch sind Fortschritte hinsicht- lich der CO2-Vermeidung via Stahlproduktion ebenso zügig wie planvoll erreichbar. Man sollte mit Blick auf das Jahr 2030 doch dort anfangen, wo die Prozesse am reifsten sind und der CO2-Minde- rungs-Ertrag in Relation zu den Engpassfaktoren Geld und regenerativer Strom am größten ist.
Dies können wir auf Basis von SALCOS mit Fug und Recht in Anspruch nehmen. Die SALCOS- Ausbaustufe I – eine Realisierung bis 2025 wäre möglich – vermeidet bei einer Investition von gut 1 Mrd. Euro so viel CO2, wie es dem Austausch von 1 Mio. Verbrenner-Pkw gegen vollelektrische Autos entspräche! Ein Vergleich mit den hierfür ausgelobten Subventionen lohnt sich.
STIL: Zu den erforderlichen Rahmenbedingungen gehören funktionierende Schutzmaßnahmen des EU-Markts vor unfairen Handelspraktiken. Wie hängt dies mit der Dekarbonisierung zusammen? Prof. Fuhrmann: Die internationalen Stahlmärkte zeichnen sich vielerorts durch Abschottung und mittels Subventionen aufgebaute Überkapazitäten aus. Die EU agiert traditionell zögerlich mit Schutzmaßnahmen und greift oft erst ein, wenn es fast schon zu spät ist. Mit steigenden CO2-Kosten in der EU wird sich das heute schon bestehende Problem ungleicher Wettbewerbsbedingungen zunehmend verschärfen. Wir können nicht immer weiter steigende Klima- und Energiekosten tragen, während Wettbewerber aus dem Ausland – ohne
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