Der Sprung in die Serienfertigung ist geschafft

05.01.2001 | Salzgitter AG


Der Sprung in die Serienfertigung ist geschafft

Oswald Hydroforming GmbH &Co.KG; betreibt Innenhochdruckumformung

Auch für technische Innovationen muss die Zeit erst reif sein, bis sie umgesetzt werden können. So ist es auch bei der Innenhochdruckumformung (IHU).

"Erste Versuche mit dem Umformen durch Wasser gab es schon im 19. Jahrhundert", berichtet Dr. Jürgen Oswald, Geschäftsführer von Oswald Hydroforming GmbH &Co.KG;, einer 24,9%igen Beteiligung der Salzgitter AG.
Seit einigen Jahren ist das Verfahren wieder brandaktuell, weil es eine interessante Lösung für den automobilen Leichtbau und andere Anwendungsgebiete ist.
In den 60iger Jahren haben dann japanische Wissenschaftler das Verfahren weiterentwickelt, doch Steuerungs- und Regelungstechnik hätten noch keine Serienfertigung erlaubt. Jetzt ist es so weit das IHU-Verfahren wurde kontinuierlich optimiert und ist reif für die Serienfertigung.

Welche Technik verbirgt sich hinter IHU? Das Werkstück ein gerader oder gebogener Rohrabschnitt wird in eine aus zwei Teilen bestehende Form gelegt. Die Form wird geschlossen und die Rohrenden mit zwei axialen Stempeln abgedichtet. Die Stempel sind als Hohlstempel ausgeführt, durch deren Bohrung eine Wasser-Öl-Emulsion das Rohr füllt und den erforderlichen Innendruck aufbaut.

Bei der Umformung pressen die beiden axialen Stempel mit einer hohen Kraft gegen die Rohrenden, während gleichzeitig die Emulsion (mit bis zu 4.000 bar) die Wand des Rohres gegen die Form des Werkzeugs drückt.

Mit der Innenhochdruckumformtechnologie werden hoch genaue Bauteile hergestellt bei äußerst präziser Wiederholgenauigkeit. Durch belastungsoptimierte Bauteilgestaltung und Nutzung der Kaltverfestigung sind Gewichtsreduzierungen möglich. Die Reduzierung der Teilezahl sowie der Entfall von Schweißnähten bieten darüber hinaus Kosten- und Fertigungsvorteile.

Mit der IHU-Technologie werden die verschiedensten Bauteile für die Automobilindustrie, aber auch für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik, Medizintechnik sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie gefertigt.

Die IHU-Technik passt genau in das Konzept der Automobilindustrie, leichter und damit kraftstoffsparender zu bauen, die Sicherheits- und Komfortstandards aber gleichzeitig zu erhöhen. IHU-Teile werden als Hinterachsträger und Querlenker, als Trägerbaugruppen der Karosserie (Säulen, Schweller, Dachrahmen) sowie als Krümmer und Vorrohre in Abgasanlagen eingesetzt.

Ein breites Feld also, auf dem sich Oswald Hydroforming bewegt. Dabei setzt das 1998 gegründete Unternehmen aus dem westsächsischen Crimmitschau bei Zwickau auf kontinuierliches Wachstum. Die Produktionsanlagen wurden komplett neu in einem Gewerbegebiet erstellt. Dabei habe es sehr geholfen, dass die Baugenehmigung schnell erteilt wurde, berichtet Dr. Wulf Böing. Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit den kommunalen Entscheidungsträgern unkompliziert.

In der ersten Ausbaustufe wurden 6,5 Mio DM investiert. Das Firmengelände umfasst 14.000 qm; die Produktionsfläche zur Zeit 2.800 qm. Rund 20 Mitarbeiter haben mittlerweile bei Oswald Hydroforming einen festen Arbeitsplatz, bis Mitte 2001 sollen es 40 sein. Von Anfang an hat das Unternehmen sowohl im kaufmännischen als auch im gewerblichen Bereich ausgebildet. Geschäftsführer Stefan Rossner hierzu knapp und treffend: "Wir brauchen ja auch qualifizierten Nachwuchs."

Auch die technische Ausstattung wird weiter komplettiert. Derzeit werden bei Oswald Hydroforming unter anderem für namhafte Automobilhersteller und zulieferer IHU-Bauteile auf einer 25.000 kN IHU-Presse entwickelt und in Serie gefertigt. Bis Ende 2000 investiert das Unternehmen in zwei weitere IHU- Pressen mit Zuhaltekräften von 6.300 kN und 35.000 kN. Bis zum Jahr 2002 sind weitere Anschaffungen geplant, beispielsweise eine 50.000 kN IHU- Presse und zusätzliche Maschinen und Einrichtungen für der IHU vor- oder nachgeschaltete Bearbeitungsschritte.

In der IHU-Technik kann Oswald Hydroforming auf mehrere Patente verweisen: unter anderem für ein "Verfahren zur Verstärkung der Wandstärke an Hohlprofilen" und für ein "Verfahren zum Herstellen von verformten mehrwandigen Rohren mit Hohlräumen zwischen den Wandungen".

Noch einmal zurück zur Bedeutung der IHU-Technik. "Der Sprung in die Massenfertigung im Automobilbau ist jetzt geschafft", freuen sich die Geschäftsführer. Zweistellige Wachstumsraten in der Verwendung von IHU-Teilen seien in diesem Bereich nun zu erwarten. Neben der Serienfertigung bietet Oswald auch speziellen ingenieurtechnischen Service für die Kunden an. Zu nennen sind hier Machbarkeitsanalysen und Simulationen. Ebenso werden Bauteile und Prototypen entwickelt. Ein weiteres Leistungsangebot sind IHU- Prototypen- und Serienwerkzeuge.

Im Salzgitter-Konzern ist Oswald Hydroforming im Unternehmensbereich Verarbeitung angesiedelt. Gemeinsam mit der Salzgitter Europlatinen GmbH und Salzgitter Automotive Engineering GmbH bildet es den Geschäftsbereich Automobil. In dieser Kombination sollen das Know-how der SZAG weiter ausgebaut und neue Dienstleistungen sowie Marktfelder erschlossen werden.

Eine Zusammenarbeit pflegt Oswald mit der Abteilung Anwendungs- und Prüftechnik der SZAG. Eine Kunden-Lieferanten-Beziehung wird Oswald jetzt im Konzernverbund weiterführen. Wie schon bisher wird bei MHP Mannesmann Präzisrohr GmbH, die nunmehr auch zum Konzern gehört, Vormaterial bezogen.