Erfolgreich mit krummen Sachen - Interview mit Elke Muthmann
"Ich kam schon recht früh mit Werkstoffkunde in Kontakt und fand das ganz interessant.“ Wenn Elke Muthmann von ihrer Leidenschaft für Technik erzählt, baut alles logisch aufeinander auf. Beeinflusst von ihrer Mutter, Metallographin von Beruf, kam sie bereits früh in den Kontakt mit Werkstoffen und hat seitdem über Schule und Uni hinweg den Kontakt zu Metallen nicht mehr verloren. Inzwischen leitet sie als Betriebschefin unser Rohrbiegewerk in Mülheim. Kunden hielten sie anfangs für die Sekretärin, doch das ist lange vorbei.
Frau Muthmann, sind Sie ein geradliniger Typ?
Ja. Warum fragen Sie?
Wir wollen herausfinden, ob Sie an Ihrem Arbeitsplatz ganz richtig sind. Ihre Aufgabe ist es schließlich, aus geraden Rohren krumme zu machen.
(Lacht) Genau, ich mache ja nur krumme Sachen.
Und das macht Ihnen Spaß?
Oh ja, sehr viel sogar, für diesen Job würde ich mich jeder Zeit wieder entscheiden.
Wie geradlinig war denn bisher ihr Bildungs- und Berufsweg?
Ich habe in meiner Heimatstadt an der RWTH Aachen Eisenhüttenkunde, Vertiefungsrichtung Werkstoffwissenschaften, studiert. So hieß das damals, heute läuft das unter Metallurgie und Werkstofftechnik. Ich hab’s in 13 Semestern geschafft, eins mehr als das Regelstudium vorsieht. Ein bisschen mehr ist gar nicht schlecht für die Lebenserfahrung. Danach habe ich beim damaligen Mannesmann Forschungsinstitut (MFI) in Duisburg-Huckingen angefangen, das mittlerweile in der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH aufgegangen ist. Eine gerade Linie ist das schon deshalb, weil zwischen dem MFI und dem Institut für Eisenhüttenkunde in Aachen eine traditionell enge Verbindung bestand. Beim MFI war es üblich, dass sich Absolventen aus Aachen bewarben, und die wurden gerne genommen. So bin auch ich in Huckingen gelandet.
Wie kam es denn überhaupt dazu, dass Sie ein technisches Studium aufgenommen haben? Darf man sich das so vorstellen, dass Sie schon als Kind lieber mit der Dampfmaschine gespielt haben als mit Puppen?
Ganz so schlimm war es nicht. Dadurch, dass ich einen älteren Bruder hatte, fand ich mit Autos spielen schon etwas interessanter als etwa Puppen. Ich bin aber auch gewissermaßen erblich vorbelastet: Meine Mutter ist Metallographin, daher kam ich schon recht früh mit Werkstoffkunde in Kontakt und fand das ganz interessant. In der Schule war ich eher naturwissenschaftlich orientiert mit Mathematik und Physik als Leistungskurs. Logischerweise wollte ich daher lieber was Technisches studieren und habe dann den für Frauen etwas außergewöhnlichen Studiengang eingeschlagen.
Sie sind Jahrgang 1969 und haben einen beachtlichen Verantwortungsbereich. Wie sieht der aus?
Ich leite als Betriebschefin das Mülheimer Rohrbiegewerk der Salzgitter Mannesmann Grobblech GmbH und bin verantwortlich für das Werk. Das umfasst die gesamte Produktion, Instandhaltung, Verkauf, Technische Kundenberatung, Qualitätsstelle, Arbeitsvorbereitung, also alles, was eine solche in sich geschlossene Einheit braucht. Wir vertreiben unsere Produkte selbstständig oder mit Unterstützung der Handelsorganisation. Insgesamt arbeiten 51 Leute, 37 im Betrieb und 14 im Angestelltenbereich, für das Rohrbiegewerk.
Und was stellt dieses Werk her?
Unsere Produkte sind induktiv gebogene Stahlrohre in erster Linie für Öl- und Gaspipelines, hauptsächlich für Überlandleitungen. Meistens sind es Großrohre zwischen 700 und 1400 mm Durchmesser, die wir biegen. Beispielsweise für die Anschlussleitungen an die berühmte Ostsee-Pipeline von Nord Stream.
Wie kamen Sie zu Ihrer jetzigen Position?
Der klassische Weg war damals und ist es auch heute oftmals noch, dass man aus dem Forschungsinstitut in einen Betrieb geht und dort erstmal in der Qualitätsstelle anfängt. Ich bin im Rohrbiegewerk direkt Qualitätsstellenleiterin geworden, das war schon ein großer Sprung. Ich war zunächst für die Qualitätsstelle zuständig, bald darauf auch für das Qualitätsmanagementsystem und habe dann nach und nach anderen Aufgaben dazugeerbt wie zum Beispiel die Arbeitsvorbereitung und den Versand. Schließlich wurde ich Betriebschefin für das gesamte Rohrbiegewerk einschließlich Verkauf.
Worin liegt für Sie denn die Faszination Ihres Jobs?
Vor allem darin, dass ich das, was ich im Studium gelernt habe, auch wirklich anwenden kann. Und das hört man ja von vielen anders. Wir müssen hier sehr viel werkstoffkundlichen Hintergrund haben, um unser Produkt erfolgreich herzustellen. Wir produzieren ja ein Nischenprodukt, was sehr speziell ist und eines besonderen Know-hows bedarf. An der Uni habe ich dafür sehr viel mitbekommen. Wofür man nicht so sehr vorbereitet wird im Studium - was man sich daher aneignen oder auch ein bisschen mitbringen muss - , ist das Feld der zwischenmenschlichen Kommunikation, des Miteinanders, der Führung von Menschen. Ein wenig unterbelichtet in einem technischen Studium sind auch kaufmännische und betriebswirtschaftliche Aspekte. Aber die sind auch kein Buch mit sieben Siegeln, das kriegt man insbesondere mit tatkräftiger Unterstützung der Kollegen aus dem Controlling schon hin.
Sie haben Ihren beruflichen Weg in einer Branche beschritten, in der weibliche technische Führungskräfte recht selten sind. Hatten Sie Hindernisse zu überwinden?
So viele gab es nicht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich eingestellt wurde, weil irgendwelche Quoten zu erfüllen waren, sondern weil man mich als Mensch mit meiner Ausbildung und Qualifikation geschätzt hat. Ich stelle fest, dass bei MGB immer mehr Frauen in technischen Führungspositionen zum Zuge kommen.
Es gab und gibt auch keine Vorbehalte aus Ihren Mitarbeitern heraus gegen eine Frau als Chefin?
Nein, bei den Mitarbeitern überhaupt nicht. Man merkt manchmal, dass Kunden nicht mit einer Frau als Gesprächspartner rechnen. Ganz am Anfang passierte es mir öfter am Telefon, dass man mich für die Sekretärin hielt und mit dem Chef verbunden werden wollte. Das passiert mittlerweile aber kaum noch.
Würden Sie denn Ihren Führungsstil als typisch weiblich bezeichnen?
Ich setze ganz auf Teamarbeit, auf Information der Mitarbeiter, auf Überzeugung, so dass sie verstehen, was sie machen. Autoritärer Führungsstil ist nicht mein Ding, wenn das weiblich ist, dann sei es so. Ich habe immer eine offene Tür, lasse jederzeit Fragen zu. Aber ich habe auch gemerkt, dass zu viel Freiraum für selbständiges Arbeiten manchmal auch recht schwierig sein kann. Manche Mitarbeiter brauchen klare Vorgaben, sie fühlen sich wohler, wenn klar festgelegt wird, was zu tun ist. Ich bevorzuge aber, erst etwas zu erklären und dann zu sagen, jetzt machen Sie mal selber, ich vertraue Ihnen, Sie können das.
Wie lösen Sie Konflikte, verfolgen Sie dabei eine Strategie?
Wäre schlimm, wenn ich die nicht hätte. Mann muss schon dabei die verschiedenen Charaktere der Menschen beachten. Konflikte lösen wir in der Regel so, dass wir darüber reden, dass wir die Emotionen rausnehmen, da muss man auch schon mal ein Gespräch abbrechen und vertagen. Wichtig ist, von der oftmals persönlichen und emotionalen auf die sachliche Ebene zu kommen und vernünftig darüber zu reden. Denn schließlich haben wir alle ein gemeinsames Ziel. Ich kenne keinen Mitarbeiter, der sagt, wir wollen ohne Erfolg arbeiten. Wir verbringen hier mitunter mehr Zeit zusammen als mit unseren Familien und das zwingt zu einem vernünftigen Miteinanderauskommen. Als Führungskraft sollte man authentisch bleiben, nicht versuchen, in irgendwelchen aufgesetzten Strukturen zu funktionieren und Dinge zu kopieren, die nicht von einem selber kommen.
Was bringt die Zukunft? Betreiben Sie aktive Karriereplanung oder geben Sie auch dem Zufall Raum?
Eigentlich habe ich doch schon eine schöne Karriere gemacht, oder? Trotzdem habe ich natürlich Ziele. Es ist aber nicht so, dass ich zum Beispiel in drei Jahren Geschäftführerin oder im Vorstand sein möchte. Ich lass da schon dem Zufall ein wenig Raum. Außerdem: Das Biegewerk ist mir ans Herz gewachsen, es ist schon ein bisschen "mein“ Rohrbiegewerk. Im Moment würde es mir nicht leicht fallen zu sagen, jetzt mache ich mal was anderes.
Aber ein gewisser Ehrgeiz ist schon da.
Natürlich, sonst wäre ich wohl jetzt nicht Betriebschefin.
Haben Sie einen Rat für junge Frauen, die überlegen, welches Studium sie nach dem Abitur ergreifen sollen?
Frauen haben in unserer sehr männerlastigen Branche trotzdem recht gute Chancen. Frauen werden inzwischen durchaus gerne eingestellt, natürlich müssen sie etwas „auf dem Kasten haben“, wie man so schön sagt, das unterscheidet sie nicht von Männern. Wer als Frau also naturwissenschaftlich interessiert ist, sollte sich nicht scheuen, ein Ingenieurstudium zu machen. Ich kann dazu nur raten. Was ist denn schöner, als wenn man das, was man studiert hat, hinterher auch im Beruf anwenden kann, und das ist im Salzgitter-Konzern auf jeden Fall möglich.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ja heute ein großes Thema. Wie schaffen Sie es denn, beides unter einen Hut zu bekommen?
Problemlos, ich habe nämlich einen tollen Ehemann. Er ist Bergbauingenieur und hat sich entschieden, Hausmann zu sein, und das macht er wirklich prima. Unsere beiden Töchter, vier und sieben Jahre alt, sind ebenso begeistert von ihm wie ich. Der ständige Zwiespalt, den täglichen Anforderungen im Arbeitsalltag gerecht zu werden und zu Hause genug Zeit für die Familie zu haben, besteht jedoch ganz klar. Die harmonische Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auf jeden Fall keine leicht zu lösende Aufgabe.
Was macht die Privatfrau Elke Muthmann, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommt?
Natürlicher erstmal viel mit der Familie. Die Mama ist ja nicht so häufig zu Hause, entweder im Werk oder auf Dienstreise unterwegs. Unsere Kinder sind noch in einem Alter, in dem man viel zusammen unternehmen kann, und das nutzen wir auch aus, machen gemeinsam viel Sport, fahren Fahrrad, oder gehen wandern.